Titandioxid (TiO2) ist eine anorganische Verbindung, die beispielsweise in Farben und Lacken, Zahnpasta, Kaugummis oder auch Sonnencremes zu finden ist. Jedoch ist die Verwendung umstritten, da schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit aufgrund der vorliegenden Evidenz nicht ausgeschlossen werden können. Die Europäische Kommission hat Titandioxid daher als möglicherweise krebserregend eingestuft, insbesondere, wenn dieses in Pulverform über die Atemluft aufgenommen wird und die Atemwege dem TiO2 ausgesetzt sind.
Ein besonders hohes Risiko, TiO2 einzuatmen, besteht vor allem in Fabriken, die TiO2-Pulver herstellen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden jedoch nur wenige Studien in TiO2 verarbeitenden Betrieben durchgeführt, in denen Arbeiter_innen rekrutiert und die gesundheitlichen Folgen des Einatmens von TiO2 untersucht wurden. Personen in diesen Anlagen sind potenziell viel höheren Dosen von TiO2 ausgesetzt als die Allgemeinbevölkerung.
Ziel einer neuen Analyse, unter Beteiligung des Lehrstuhls für Epidemiologie von Prof. Dr. Stefanie Klug, gemeinsam mit der Universitätsmedizin Mainz, war es daher, einen Überblick über epidemiologische Studien zu arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Titandioxid und deren methodischen Aspekten zu geben. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Health risks of titanium dioxide (TiO2) dust exposure in occupational settings – A scoping review“ im „International Journal of Hygiene an Environmental Health“ veröffentlicht. Die Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 7,401.
„Die Idee zu dieser Überblicksarbeit basiert auf einer großen Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), im Rahmen derer wir in verschiedenen europäischen Ländern untersucht haben, ob bei den Arbeitern in Fabriken ein Zusammenhang zwischen Titandioxid und einer Lungenkrebserkrankung vorhanden ist“, erklärt Prof. Klug. „Der Erstautor Jannis Hansa widmet sich im Rahmen seiner Masterarbeit im Bereich der Epidemiologie an der Universitätsmedizin Mainz diesem Thema, weshalb er nun dieses ‚Scoping review‘ erstellt hat.“
Im Rahmen der IARC-Studie war zwar der Zusammenhang zwischen dem Einatmen von TiO2 und Lungenkrebs bei Menschen nicht eindeutig, jedoch gab es in Tierversuchen Hinweise, dass TiO2-Pulver Krebs verursachen kann. Das jetzt veröffentlichte Review hat sich zehn Studien aus den Jahren 1988 bis 2022 genauer angesehen, die sich mit der Gesamtmortalität und Lungenkrebsmortalität beschäftigt haben.
Hinsichtlich der Gesamtmortalität stellten die meisten analysierten Kohortenstudien keinen Zusammenhang mit TiO2-Exposition fest. In einer europäischen Studie aus dem Jahr 2004 mit über 15.000 Arbeitern in elf TiO2-Fabriken wurde jedoch ein signifikant erhöhtes Risiko für Lungenkrebssterblichkeit gefunden. Zudem wurde im Rahmen einer US-amerikanischen Kohortenstudie aus dem Jahr 2013 mit über 3.600 Teilnehmer_innen aus drei Fabriken ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko, insbesondere aber auch im Hinblick auf Lungenkrebs, festgestellt, wobei als Referenz dazu Unternehmensmitarbeiter_innen verwendet wurden, die keiner TiO2-Belastung ausgesetzt waren. Jedoch war in vielen dieser Untersuchungen die Analyse der Störfaktoren, insbesondere das Rauchen, unzureichend, was die Aussagekraft der Ergebnisse natürlich limitiert.
Die Überblicksarbeit stellt entsprechend fest, dass der Zusammenhang zwischen berufsbedingter TiO2-Exposition und der Mortalität unklar ist, da viele keine nennenswerten Hinweise auf ein karzinogenes Risiko durch eingeatmeten TiO2-Staub liefern. Jedoch wurde in der jüngsten wissenschaftlichen Diskussion die Frage nach möglichen methodischen Mängeln in den durchgeführten Studien aufgeworfen, die zu verzerrten Ergebnissen geführt haben. Aufgrund dieser neuen Entwicklungen und den Unstimmigkeiten bei früheren Analysen sind daher weitere Untersuchungen notwendig, um validere Einschätzungen zu den Risiken von TiO2-Staubbelastung formulieren zu können.
Zur Homepage des Lehrstuhls für Epidemiologie
Zur Publikation „Health risks of titanium dioxide (TiO2) dust exposure in occupational settings – A scoping review“ im „International Journal of Hygiene an Environmental Health”
Kontakt:
Prof. Dr. Stefanie Klug
Lehrstuhl für Epidemiologie
Department Health and Sport Sciences
TUM School of Medicine and Health
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München
Telefon: 089 289 24950
E-Mail: stefanie.klug(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: “International Journal of Hygiene and Environmental Health”/Astrid Eckert/TUM