In Deutschland erkranken jährlich rund 28 Prozent der Erwachsenen an psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen – ein Anteil, der in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Psychische Erkrankungen stellen nicht nur für die Betroffenen eine große Belastung dar, sondern sind auch ein erheblicher volkswirtschaftlicher Kostenfaktor. Zusätzlich zu den direkten Behandlungskosten können sie zu Einbußen bei der Produktivität bis hin zu Arbeitsunfähigkeit führen. Gleichzeitig übersteigt der Therapiebedarf die Kapazitäten des deutschen Gesundheitssystems bei weitem. Digitale Interventionen bieten hier vielversprechende Ansätze zur Behandlung und können zur Entlastung des Systems beitragen.
Prof. Dr. Fanny Kählke hat Medizinpädagogik und Gesundheitswissenschaften studiert und an der Technischen Universität München (TUM) zu diesem Thema promoviert. Seit Oktober arbeitet sie als neue Professorin für den Schwerpunkt „E-Health“ an der Technischen Fachhochschule Deggendorf und bleibt der Professur für Psychology & Digital Mental Health an der TUM als Gastwissenschaftlerin erhalten. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit dem Titel „Weisen internet- und mobilbasiere Interventionen (IMIs) im Bereich der psychischen Gesundheit ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auf? Wirksamkeit und Kosteneffektivität von IMIs zur Prävention und Behandlung psychischer Störungen“, die von Prof. Dr. David Daniel Ebert, Leiter der Professor für Psychology & Digital Mental Health Care betreut wurde, hat sie mehrere Studien durchgeführt, um zu untersuchen, wie digitale Hilfsangebote zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen genutzt werden können und wie wirksam sowie kosteneffizient diese sind.
„Die Arbeiten von Frau Prof. Kählke leisten einen bedeutenden Beitrag zur Bewertung des Potenzials digitaler Ansätze in der Prävention und Behandlung psychischer Störungen im Allgemeinen und insbesondere bei der Bewältigung sozialer Phobie unter Studierenden. Es freut mich außerordentlich, dass Frau Kählkes langjährige Arbeit in diesem Rahmen die verdiente Anerkennung erhält“, erläutert Prof. Ebert.
Die Medizinpädagogin und Gesundheitswissenschaftlerin erforschte in einer ersten randomisierten klinischen Studie die Wirksamkeit und Kosteneffektivität eines unbegleiteten Online-Programms zur Behandlung sozialer Angststörungen bei 200 Studierenden. Das Ergebnis zeigt eine signifikante und langfristige Reduktion der Symptome zu niedrigen Kosten in der Interventions- im Vergleich zur Wartelistenkontrollgruppe. Eine zweite randomisierte klinische Studie mit 264 Teilnehmenden zu einem Online-Stressmanagement-Programm für Arbeitnehmer liefert ähnliche positive Befunde: Eine Analyse von Frau Kählke zeigte auf, dass Kosten für die Unternehmen und gesamtgesellschaftliche Kosten eingespart werden. In einem Systematic Review hält Prof. Dr. Kählke fest, dass digitale, begleitete Therapieangebote zur Behandlung von Angststörungen und Depression überwiegend kosteneffektiv sind und daher empfohlen werden können. Sie fasst zusammen: „Meine Arbeit liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie die psychische Gesundheit – als Grundlage unserer Gesellschaft und kulturellen Vielfalt – durch digitale Interventionen bzw. Anwendungen gefördert werden kann.“
Für ihre Doktorarbeit im Bereich Digital Mental Health Care an der TUM wurde Prof. Dr. Kählke nun mit dem Kulturpreis Bayern in der Kategorie „Wissenschaft“ ausgezeichnet. Bei der feierlichen Preisverleihung im Showpalast München durfte sie die Statue „Gedankenblitz“, entworfen vom Schwandorfer Bildhauer Peter Mayer, entgegennehmen.
„Die Auszeichnung mit dem Kulturpreis Bayern ist eine enorme Wertschätzung meiner Arbeit, die sich für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch internet- und mobilbasierte Behandlungsinterventionen einsetzt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine langjährige Forschung in dieser Form gewürdigt und die Bedeutung digitaler Anwendungen für die Erhaltung der psychischen Gesundheit in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt wurde“, äußert sich Prof. Dr. Kählke zu der besonderen Ehrung.
Der Kulturpreis Bayern wurde in diesem Jahr zum 20. Mal vergeben. Die Auszeichnung, die 1959 als Kulturpreis Ostbayern ins Leben gerufen wurde, wird seit 2005 jährlich vom Bayernwerk in enger Partnerschaft mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst verliehen. Die Preisträgerinnen und Preisträger des mit 3.000 Euro dotierten Wissenschaftspreises werden von den Hochschulen nominiert.
Moderatorin Nina Sonnenberg führte durch das abwechslungsreiche Abendprogramm der diesjährigen Jubiläumsveranstaltung. Insgesamt wurden 10 Doktorandinnen und Doktoranden sowie 23 Absolventinnen und Absolventen bayerischer Universitäten, Hochschulen und Kunsthochschulen geehrt. Neben den Preisverleihungen gab es Podiumsdiskussionen zu innovativen Themen und Live-Auftritte. Der fast zweistündige Kulturabend wurde im Live-Stream des Bayernwerks und von den lokalen Fernsehsendern Oberpfalz TV, Niederbayern TV, TVA Ostbayern, TV Mainfranken, TV Oberfranken, Franken Fernsehen, München TV, Ingolstadt TV, RFO – Regional Fernsehen Oberbayern, Regio TV Schwaben, Augsburg TV und Allgäu TV übertragen.
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Kontakt:
Prof. Dr. David Daniel Ebert
Professur für Psychology & Digital Mental Health Care
Technische Universität München
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Email: david.daniel.ebert(at)tum.de
Prof. Dr. Fanny Kählke
Professur für Psychology & Digital Mental Health Care
Technische Universität München
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Email: fanny.kaehlke(at)tum.de
Text: Jasmin Schol
Fotos: Alex Schelbert/Bayernwerk AG/privat