Die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft hat auch einen erheblichen Einfluss auf den Gesundheitsmarkt. So nutzen immer mehr Patient_innen Gesundheits-Apps. Die Bedeutung dieser neuen Technologien wurde auch in der globalen Strategie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur digitalen Gesundheit 2020-2025 hervorgehoben.
Unter der Leitung von Dr. Anna-Janina Stephan hat ein Team der Professur für Public Health und Prävention von Prof. Dr. Michael Laxy nun ein Umbrella Review über verfügbare systematische Übersichtsarbeiten veröffentlicht, welches die Wirksamkeit mobiler App-basierter Gesundheitsinterventionen in Patient_innenpopulationen untersucht hat. Die Ergebnisse wurden nun unter dem Titel „An umbrella review of effectiveness and efficacy trials for app based health interventions“ im Journal „npj Digital Medicine“ veröffentlicht. Die Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 15,357.
„Wir haben festgestellt, dass es viele Übersichtsarbeiten gibt, die sehr breit gefasst sind. Sie beschäftigen sich also nicht nur mit Gesundheits-Apps, sondern auch mit Telemonitoring, Telekonsultation und vielen weiteren verschiedenen Arten von Interventionen. Diese betreffen alle auf eine gewisse Art und Weise den Digitalbereich, können jedoch nicht unbedingt in einen Topf geworfen werden“, erklärt Dr. Stephan, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Public Health und Prävention. „Was aus unserer Sicht noch gefehlt hat, war ein Überblick über vorhandene systematische Reviews, die sich mit der Wirksamkeit spezifisch von Gesundheits-Apps befassen. Insbesondere Sherry On Ki Chong als Erstautorin und Nancy Abdelmalak haben hier viel Herzblut und Zeit in die Erstellung dieses Umbrella Reviews investiert.“
Aufbauend auf Vorarbeiten aus einer Masterarbeit wurden 48 systematische Übersichtsarbeiten (davon 35 mit Meta-Analysen) aus dem Zeitraum 2013 bis 2023 untersucht, welche die Einschlusskriterien für das Umbrella Review erfüllten. Mit der Zunahme von verfügbaren Gesundheits-Apps hat in den letzten zehn Jahren auch die Zahl der wissenschaftlichen Einordnungen und Bewertungen von deren Wirksamkeit und Effektivität zugenommen. „Mit dem digitalen Versorgungsgesetz gibt es seit 2019 erstmalig die Möglichkeit zur Verschreibung von App-basierten Versorgungsangeboten innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Damit einhergehen aber auch vom Gesetzgeber definierte Anforderungen, wenn die Kosten für die Nutzung einer Gesundheits-App von einer Krankenkasse übernommen werden sollen“, so Dr. Stephan. „Dafür müssen die Apps sehr gute Evidenz zur Effektivität liefern, welche üblicherweise durch randomisierte kontrollierte Studien generiert wird. Daher gibt es mittlerweile auch eine sehr große Zahl qualitativ hochwertiger Wirksamkeitsevaluationen.“
Elf der inkludierten systematischen Übersichtsarbeiten befassten sich mit einem breiten Spektrum an Erkrankungen, dreizehn Studien konzentrierten sich auf Diabetes und fünf weitere auf Angststörungen und/oder Depression. Ein erheblicher Anteil der Übersichten versuchte, mehrere Indikationen gleichzeitig abzudecken, oder nahm gar keine spezifische Einschränkung auf bestimmte Krankheiten vor.
Die einbezogenen Studien deckten Populationen von allen Kontinenten ab, wobei der Großteil der Daten in Ländern mit hohem oder mittlerem Einkommen wie den USA, China, Australien, Großbritannien, Spanien, Norwegen und Japan erhoben wurde. Die Stichproben bewegten sich zwischen 282 und 7.669 Patient_innen pro Studie.
Die analysierten Gesundheits-Apps boten eine große Bandbreite an Funktionen, darunter die Überwachung und Bewertung von Symptomen, Erinnerungen an die Einnahme von Medikamenten, Biofeedback in Echtzeit, personalisierte Programme und Schulungen, maßgeschneiderte motivierende Botschaften sowie Kommunikation mit medizinischem Fachpersonal.
Von den inkludierten Reviews kamen 41 zu dem Schluss, dass Gesundheits-Apps wirksam zur Verbesserung der Gesundheitsergebnisse beitragen können. Die sieben Analysen, die keine Wirksamkeit feststellten, berichteten über uneindeutige Ergebnisse oder klinisch irrelevante Verbesserungen. Prinzipiell variierte die verfügbare systematische Evidenz zur Wirksamkeit von App-basierten Gesundheitsmaßnahmen stark zwischen den einzelnen Indikationen. Zudem wurden nur selten Messgrößen für die Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen wie der Häufigkeit von Arztbesuchen oder Krankenhausaufenthalten angegeben. Daraus ergeben sich Wissenslücken, wie sich Gesundheits-Apps auf Gesundheitsergebnisse auswirken, wie lange ihre Wirkung anhält und welche ökonomische Belastung bzw. Entlastung sich daraus auf die Gesundheitssysteme in Bezug auf die Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung ergibt.
Daher empfiehlt die Professur für Public Health und Prävention für künftige randomisierte kontrollierte Studien die Erfassung von Verhaltensergebnissen und die Messung der Nutzung von Gesundheitsressourcen. Dadurch wäre es möglich, bessere Einblicke in die Mechanismen zu erhalten, welche Gesundheits-Apps wirksam sind, und ihre Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme besser beleuchten zu können.
„Das Umbrella Review stellt eine hilfreiche und leicht zugängliche Orientierung für politische Entscheidungsträger_innen, Ärzt_innen und Patient_innen dar, um relevante, zusammengefasste Evidenz und eine Bewertung der Qualität von Studien zu finden“, erklärt Prof. Laxy. „Die Ergebnisse bieten eine gute Grundlage, um in einem nächsten Schritt App-Eigenschaften und -Funktionen, die einen entscheidenden Einfluss auf die Wirksamkeit haben, zu identifizieren und zu verbessern. Denn die Wirksamkeit ist mit der wichtigste Parameter, um ein gutes Verhältnis zwischen dem potentiellen Nutzen und den erforderlichen Investitionen und Kosten zu gewährleisten. Dieses Verhältnis ist notwendig, um neue Gesundheits-Apps im Rahmen der verfügbaren Ressourcen im Gesundheitssystem möglichst vielen Patient_innen anbieten zu können.“
Zur Publikation „An umbrella review of effectiveness and efficacy trials for app based health interventions“ im Journal „npj Digital Medicine”
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Kontakt:
Prof. Dr. Michael Laxy
Professur für Public Health und Prävention
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24977
E-Mail: michael.laxy(at)tum.de
Dr. Anna-Janina Stephan
Professur für Public Health und Prävention
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24984
E-Mail: anna-janina.stephan(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: “npj Digital Medicine”/Astrid Eckert/TUM/privat