Mit Neoprenanzug sind deutlich bessere Schwimmleistungen möglich als mit normaler Schwimm- oder Wettkampfbekleidung. Dies ist bereits in zahlreichen Studien untersucht und bestätigt worden. Neben dem Kälteschutz ist das der wichtigste Grund dafür, dass diese zweite Haut im Triathlonsport weit verbreitet ist. Eine aktuelle Studie von Tomikava et al. (2007) konnte beispielweise zeigen, dass mit Neopren bei gleicher maximaler Sauerstoffaufnahme (VO2max) eine signifikant höhere Schwimmgeschwindigkeit über 400m möglich war. Diese Leistungsverbesserung wurde sowohl durch eine höhere Zugfrequenz als auch durch eine größere Zuglänge erreicht. Allerdings war mit Neopren der maximale Laktatspiegel im Blut erhöht.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Neopren-Anbieter und -Modelle auf dem Markt, so dass die Auswahl schwer fällt. Einsteiger-Modelle gibt es ab circa 200 Euro, für Topmodelle können bis zu 600 Euro oder mehr ausgegeben werden. Dabei stellt sich die Frage, ob sich eine solche Investition lohnt. Die Modelle unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die Qualität, die Beschichtung und die Dicke des Neoprenmaterials. Daraus ergeben sich wiederum die entscheidenden Eigenschaften Auftrieb, Flexibilität und Reibungswiderstand. Schlechtere Schwimmer profitieren hauptsächlich vom besseren Auftrieb, den der Neoprenanzug im Wasser erzeugt . Dabei darf aber auch die Flexibilität des Materials nicht außer Acht gelassen werden, denn umso flexibler der Neoprenanzug im Schulterbereich ist, umso entspannter und kraftsparender kann die Überwasserphase beim Kraulen realisiert werden. Ob es sich lohnt, beim Kauf eines Neoprenanzuges tiefer in die Tasche zu greifen, das soll in der hier vorgestellten Studie geklärt werden.
Das Studiendesign: In einer wissenschaftlichen Studie am Lehrstuhl für Gesundheitsförderung der Fakultät für Sportwissenschaft der TU München wurden anhand von objektiven und subjektiven Kriterien die Unterschiede zwischen verschiedenen Modellen eines Herstellers evaluiert. Hierbei kamen die zwei folgenden Modelle zum Einsatz: Einsteiger-Neoprenanzug (Tri-Process von Aquaman, Preis: ~200 Euro) und Top-Modell (Cell Gold von Aquaman, Preis: ~600 Euro). Dazu absolvierten 14 Studierende der Sportwissenschaft jeweils in unterschiedlicher Reihenfolge in einem 25m-Schwimmbecken eine 200m Strecke ohne Neoprenanzug, mit dem Einsteiger- und mit dem Topmodell. Dabei wurden die benötigten Armzüge pro Bahn, die Schwimmzeit und die Herzfrequenz am Belastungsende erfasst. Nach dem Schwimmen mussten die Probanden in einem umfassenden Fragebogen ihre subjektive Einschätzung über das An- und Ausziehen, die Flexibilität des Neoprens, ihr Wassergefühl und ihre Leistung abgeben. Um das Ergebnis nicht zu beeinflussen wurden die Probanden im Vorfeld nicht darüber informiert, bei welchem Neoprenanzug es sich um das Topmodell handelte.
Die Ergebnisse: Im Schnitt waren die Probanden mit Neoprenanzug über 200m 10,2 Sekunden schneller und benötigten dabei 2,5 Armzüge pro 25m weniger als ohne Neoprenanzug. Im objektiven Leistungsvergleich zwischen den beiden Neoprenanzügen zeigte sich kein Unterschied zwischen dem Einsteiger- und dem Topmodell. Die Schwimmer benötigten allerdings mit dem Topmodell etwas weniger Armzüge, hatten also eine höhere Schwimmeffizienz. Bei der subjektiven Bewertung der beiden Neoprenanzüge zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei der Flexibilität zu Gunsten des Topmodells. Auch das An- und Ausziehen fiel den Probanden beim Topmodell deutlich leichter. Bei Wasserlage und Einschätzung der eigenen Leistung gab es jedoch keine nennenswerten Unterschiede.
Zusammenfassung: Wie bereits zahlreiche Studien zuvor, so zeigen auch die Ergebnisse dieser Studie, dass mit Neopren eine deutlich höhere Schwimmleistung möglich ist, ein Effekt, der sich bereits schon über kurze Distanzen zeigt. Betrachtet man ausschließlich die Leistung lohnt es sich wohl nicht, viel Geld für ein Topmodell auszugeben. Diese Aussage muss jedoch dahingehend relativiert werden, dass die Testpersonen bei dieser Studie keine professionellen Schwimmer oder Triathleten waren, für die ein Topmodell eventuell zusätzliche Vorteile bringen könnte. Der Vorteil einer höheren Schwimmeffizienz beim Topmodell könnte sich nämlich erst über längere Schwimmdistanzen zeigen. Das gilt auch für die Unterschiede in der Bewertung der Flexibilität. Die bei höherer Flexibilität geringere Ermüdung der Schultermuskulatur könnte sich ebenfalls erst bei längerer Schwimmstrecke in einen Leistungsvorteil umwandeln. Darüber hinaus könnten ggf. auch Athleten mit Schulterproblemen wie beispielsweise einem Impingement Syndrom von einer höheren Flexibilität profitieren. Zusätzliche Sekunden-Vorteile durch das Topmodell können im Triathlon auch durch einen schnelleren Wechsel entstehen. Geht es einem Schwimmeinsteiger jedoch hauptsächlich um die bessere Wasserlage, genügt primär auch das Einsteiger-Modell. Vor der Kaufentscheidung ist es aber auf jeden Fall ratsam, die unterschiedlichen Modellvarianten in der Praxis zu testen.