Wie schätzen Kinder und Jugendliche an deutschen Schulen ihre Gesundheit ein? Gibt es Unterschiede zu anderen Ländern und in welcher Form sind die gesundheitlichen Faktoren eigentlich von Alter, Einkommen und Geschlecht abhängig? Das wird in der aktuellen HBSC-Studie ("Health Behaviour in School-aged Children") untersucht, an der 51 Länder beteiligt sind und die in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt wurde.
Prof. Dr. Matthias Richter, Ordinarius des Lehrstuhls für Social Determinants of Health, leitet die Studie in Zusammenarbeit mit Dr. Irene Moor von der Universität Halle. Seit über 40 Jahren werden im turnusmäßigem Rhythmus von vier Jahren repräsentative Umfragen an Schulen durchgeführt. An der jüngsten Erhebung im Jahr 2022 beteiligten sich 6.475 Schüler_innen im Alter von elf bis 15 Jahren aus ganz Deutschland. Die Ergebnisse sind im “Journal of Health Monitoring” erschienen, das vom Robert-Koch-Institut (RKI) herausgegeben wird.
„Der Grundstein für die Gesundheit im Erwachsenenalter wird in Kindheit und Jugend gelegt. Unsere Zahlen zeigen leider, dass uns das als Gesellschaft nicht immer gut gelingt. Auch wenn die Kinder und Jugendlichen grundsätzlich zufrieden sind: dass psychosomatische Beschwerden seit Jahren zunehmen und nur eine Minderheit sich ausreichend bewegt, kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Hier müssen mehr Angebote geschaffen werden, die junge Menschen auch tatsächlich erreichen“, erläutert Prof. Richter.
Denn, die Ergebnisse zeigen, dass Bewegung und Sport bei den Heranwachsenden zu kurz kommen. Nur etwa jedes zehnte Mädchen und jeder fünfte Junge erfüllte die Empfehlung der WHO für tägliche Bewegung von mindestens 60 Minuten. Zudem zeigte sich, dass je älter die Befragten waren, desto weniger Bewegung vorlag. Während rund 15 Prozent der elfjährigen Mädchen die WHO-Bewegungsempfehlung erreichten, waren es bei den 15-Jährigen nur knapp sieben Prozent.
Auch die Determinanten sozialer Ungleichheiten zeigen sich in der Studie. In Familien mit geringem Wohlstand geben 24 Prozent der weiblichen Heranwachsenden eine niedrige Lebenszufriedenheit an, im Vergleich zu Schülerinnen mit höherem sozioökonomischem Status, bei denen dieser Wert doppelt so hoch ausfällt. Bei männlichen Heranwachsenden aus ökonomisch benachteiligten Familien liegt dieser Anteil bei 17 Prozent. Bei Schülern mit höherem soziökonomischen Status ist dieser Wert sogar dreimal so hoch.
„Die Ergebnisse unterstreichen nochmals, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Gesundheitschancen haben. Um Mobbing, gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden zu reduzieren, braucht es zielgruppenspezifische Maßnahmen, die beispielsweise Schulform, Migrationshintergrund, sozioökonomischen Status, Geschlecht und Alter besonders berücksichtigen. Mädchen, ältere und gender-diverse Heranwachsende sind in vielen Bereichen besonders betroffen“, erklärt Dr. Moor. Als stellvertretende Studienleitung koordiniert sie das Vorhaben am Halleschen Institut für Medizinische Soziologie.
Weitere beteiligte Standorte sind die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. Ludwig Bilz), das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer), die Pädagogische Hochschule Heidelberg (Prof. Dr. Jens Bucksch), die Universität Tübingen (Prof. Dr. Gorden Sudeck) und die Hochschule Fulda (Prof. Dr. Katharina Rathmann, Prof. Dr. Kevin Dadaczynski).
Zur Homepage des Lehrstuhls für Social Determinants of Health
Zur Publikation der Ergebnisse im “Journal of Health Monitoring"
Kontakt
Prof. Dr. Matthias Richter
Lehrstuhl für Social Determinants of Health
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24190
E-Mail: richter.matthias(at)tum.de
Text: Paul Hellmich/Jonas Machner/CCC/Bastian Daneyko
Fotos: pixabay/privat