Weltweit tritt mehr als die Hälfte der Gebärmutterhalskrebsfälle bei Frauen über 50 Jahren auf. Trotz globaler Screening-Bemühungen zeigen einige Länder stagnierende oder sogar steigende Inzidenzraten in der stark belasteten Altersgruppe. In einigen der am meisten betroffenen Regionen sind Screening-Programme nicht vorhanden oder eingeschränkt und werden nur bis zum Alter von 50 Jahren empfohlen, obwohl ältere Frauen eine höhere Sterblichkeitsrate an Gebärmutterhalskrebs aufweisen. Verlässliche Daten zur Prävalenz von Humanen Papillomviren (HPV), die als Hauptursache für Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen gelten, fehlen bei dieser Gruppe weitgehend. Bisherige Analysen konzentrierten sich vor allem auf jüngere Frauen oder Frauen mit normaler Zytologie.
An diese Forschungslücke knüpft eine neue Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Stefanie J. Klug, Ordinaria für Epidemiologie, an. Das Forschungsteam um die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Epidemiologie, Vanesa Osmani, hat die weltweite HPV-Prävalenz bei Frauen ab 50 Jahren mit auffälliger Zytologie untersucht. Die Studienergebnisse wurden unter dem Titel „Worldwide burden of cervical human papillomavirus (HPV) in women over 50 years with abnormal cytology: a systematic review and meta-analysis“ in der internationalen Fachzeitschrift „BMJ Global Health“ publiziert. Diese hat einen Impact-Faktor von 7,1.
Prof. Klug erklärt: „Nach der hervorragenden Publikation in der Zeitschrift Lancet Microbe ist das die zweite exzellente Publikation zur globalen HPV-Prävalenz bei Frauen über 50 Jahren im Rahmen der Doktorarbeit von Vanesa Osmani. Sie konnte hier zeigen, wie hoch die HPV-Prävalenzen bei älteren Frauen mit Zellveränderungen an der Zervix in manchen Ländern sind. Die Ergebnisse unterstreichen, dass Präventionsmaßnahmen mit einem HPV-Test, wie von der Weltgesundheitsorganisation gefordert, viele invasive Fälle von Gebärmutterhalskrebs verhindern könnten.“
Ziel der Studie war es laut Osmani, zu verstehen, weshalb die Inzidenzrate bei älteren Frauen vergleichsweise hoch ist: „Wie können wir die hohen Raten von Gebärmutterhalskrebs in dieser Altersgruppe erklären? HPV ist der ursächliche Faktor, und wir wollten diesbezüglich weiterführende Untersuchungen anstellen“, erklärt sie. Im Fokus standen Frauen mit abnormaler Zytologie, also solche mit festgestellten Zellveränderungen (zervikale Läsion) im Gebärmutterhals, da hier eine höhere HPV-Prävalenz zu erwarten war. „Wir wollten wissen: Wie hoch ist diese Prävalenz bei Frauen mit auffälliger Zytologie tatsächlich?“
Die Forschung berücksichtigte Studien, die bis Ende April 2024 veröffentlicht wurden, mit einem besonderen Fokus auf die HPV-Prävalenz in Abhängigkeit von Zervixläsionen, altersbezogene Prävalenz sowie das Vorkommen verschiedener HPV-Typen. Unter den Frauen über 50 mit abnormen zytologischen Befunden waren 54,5 % HPV-positiv, darunter 43 % mit Hochrisiko-HPV. Auffällig war, dass die HPV-Typen 16, 52 und 53 am häufigsten vorkamen.
Ein zentrales Ergebnis ist, dass die HPV-Prävalenz stark von der Schwere der zervikalen Läsion und der geografischen Region abhängt. Osmani erklärt dazu: „Die HPV-Prävalenz war in Afrika am höchsten – im Vergleich zu Europa und Nordamerika.“ Die Unterschiede könnten mit dem Zugang zu Screening-Maßnahmen und damit dem Zeitpunkt der zytologischen Untersuchungen zusammenhängen. In afrikanischen Ländern werden Läsionen oft erst im späteren Stadium entdeckt, während in Europa Screening-Programme frühe Veränderungen meist erfassen, so Osmani.
Damit rückt die Bedeutung von Screening-Programmen erneut in den Fokus. Besonders in Ländern mit eingeschränktem Zugang zu Vorsorge sei der Bedarf groß. „Viele Frauen bis 49 Jahren wurden nie gescreent – sei es aus finanziellen Gründen oder weil Angebote fehlen. Das ist eine enorme Herausforderung“, betont Osmani.
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Diese Altersgruppe trägt eine hohe Krankheitslast, profitiert aber nicht von Impfprogrammen und wird oft übersehen. Osmani erklärt, dass es für besonders betroffene Regionen wie Indien oder Subsahara-Afrika bislang kaum Daten gibt. „Das erschwert die Forschung erheblich – wir brauchen dringend mehr Studien, um effektive Maßnahmen zu entwickeln.“
Auf Basis der Befunde empfiehlt die wissenschaftliche Mitarbeiterin gezielte Screening-Strategien für ältere Frauen: „HPV-Tests sind zwar sensitiver als Zytologie, aber technologische Verfügbarkeit und Kosten sind entscheidende Hürden. Der Fokus sollte auf Frauen über 50 Jahren liegen – insbesondere in Ländern mit geringer Impfquote –, da diese Gruppe ein besonders hohes Risiko aufweist und bislang weitgehend vernachlässigt wurde.“
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Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Stefanie J. Klug, MPH
Ordinaria
Lehrstuhl für Epidemiologie
Am Olympiacampus 11
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Tel.: 089 289 24951
E-Mail: stefanie.klug(at)tum.de
Vanesa Osmani
Lehrstuhl für Epidemiologie
TUM Campus im Olympiapark
Am Olympiacampus 11
80809 München
E-Mail: vanesa.osmani(at)tum.de
Text: Jasmin Schol
Fotos: Pixabay/Privat