Die deutsche Riege gewann beim Teamfinale vergangenen Samstag die Bronzemedaille und sorgte für einen historischen Moment. Es war die erste EM-Medaille überhaupt für ein deutsches Team in diesem Mannschaftswettbewerb.
Die Turnerinnen mit den Stuttgarterinnen Kim Bui und Elisabeth Seitz, den Chemnitzerinnen Emma Malewski und Pauline Schäfer-Betz sowie der Kölnerin Sarah Voss musste sich vor Tausenden begeisterter Zuschauer_innen in der fast ausverkauften Olympiahalle nach einem starken Wettkampf mit 158,430 Punkten lediglich Italien (165,163 Punkte) und Großbritannien (160,564 Punkte) geschlagen geben.
Das Teamfinale fand im Modus „5-3-3“ statt, was bedeutet, dass sich fünf Turnerinnen in einer Mannschaft befinden, wovon drei jeweils an das Gerät gehen und jede der drei Wertungen zählt. Bei der Qualifikation am Donnerstag gingen noch jeweils vier Turnerinnen an das Gerät, wobei nur die besten drei Wertungen zählten. Somit konnte jedes Team an allen Geräten die niedrigste Wertung als Streichwertung zählen lassen. Im Teamfinale aber zählte jede einzelne Wertung. Somit werden keine Fehler mehr verziehen, vor allem nicht an dem bekannten „Zittergerät“, dem Schwebebalken. Meist macht dieses Gerät auch die endgültigen Platzierungen aus.
In der Qualifikation lag die deutsche Mannschaft noch auf dem vierten Platz hinter Italien, Großbritannien und Frankreich. "Wir wollen am Samstag noch einmal so einen super Wettkampf turnen. Dann ist alles offen", sagte Pauline Schäfer-Betz mit Blick auf einen möglichen Medaillengewinn im Interview mit dem Deutschen Turner-Bund. Das Ziel war klar: Sie wollten es auf das Treppchen schaffen. Und das taten sie auch.
Das deutsche Team startete am Stufenbarren. Kim Bui, Emma Malewski und die frühere WM-Dritte an diesem Gerät, Elisabeth Seitz, kamen sehr gut durch ihre Übungen. Das bedeutete mit 40,833 Punkten vorerst den dritten Platz im Zwischenklassement.
Im zweiten Durchgang zeigte die Konkurrenz aus Großbritannien, aber vor allem auch Frankreich, Schwächen. Das franzöisische Team, das gleichzeitig mit dem deutschen Team am Schwebebalken war, musste vier Stürze in Kauf nehmen und vergab somit wertvolle Punkte. Bei jedem Wackler hielten die Zuschauer_innen in der Olympiahalle die Luft an und hofften, dass die deutsche Riege das Gleichgewicht halten könnte. Die Gastgeberinnen meisterten den Balanceakt auf dem Schwebebalken bravourös und kamen erfolgreich und ohne Sturz durch dieses Gerät. Emma Malewski als erste Starterin hatte zwar einige größere Probleme, doch Sarah Voss, die im Vorkampf noch beim Abgang gestürzt war, und die WM-Zweite Pauline Schäfer beeindruckten mit souveränen und eleganten Übungen, für die sie mit hohen Wertungen belohnt wurden. Das Publikum pushte das eigene Team weiter und die deutschen Turnerinnen selbst forderten immer wieder mit motivierenden Gesten noch mehr Anfeuerung ein. Nach dem zweiten Gerät konnten sie weiterhin den dritten Platz verteidigen.
Am Boden lief es für die DTB-Turnerinnen leider nicht ganz optimal, sie mussten einen Sturz in Kauf nehmen. Nach einer schönen Darbietung von Schäfer-Betz fiel Voss am Boden bei ihrem Doppelsalto gebückt in der letzten Bahn nach hinten und aus der Fläche heraus. Kim Bui beeindruckte mit ihrer allerletzten Bodenübung auf der Turnbühne. Mit Tränen in den Augen winkte sie den Zuschauer_innen zu, von denen viele die langjährige Nationalturnerin mit Standing Ovations ehrten. Am Sonntag verabschiedete sich die 33-Jährige im Barrenfinale dann endgültig. Nach dem dritten Gerät stand Deutschland weiterhin auf dem Medaillenkurs hinter Italien und Großbritannien.
Am letzten Gerät, dem Sprung, hieß es dann noch einmal, alles zu geben und den starken zwischenzeitlichen dritten Platz zu verteidigen. Kim Bui und Elisabeth Seitz brachten ihre Sprünge sauber in den Stand. Der Sprung von Sarah Voss brachte die Entscheidung, ob es für eine Medaille reichen würde. Die Stimmung war sehr angespannt, denn dieser letzte Sprung bedeutete alles. Sie wagte einen schwierigen Sprung mit Doppelschraube und als sie diese sauber stand, gab es in der Halle kein Halten mehr. "Ich glaube, man hat mir angesehen, dass ich da alles auf einmal gefühlt habe: Erleichterung, Freude, Begeisterung", sagte die 22-Jährige im Interview. "Vom ersten Schritt bis zur Landung hatte ich das Gefühl, dass mein Team mich da durchschreit und über den Tisch schweben lässt."
Am Ende überschlugen sich alle Emotionen: Tränen flossen, es wurde gejubelt und die deutschen Turnerinnen lagen sich überglücklich in den Armen. Der Traum wurde war: eine Medaille im Teamfinale, und das auch noch bei der Heim-EM.
Text: Milena Kreber
Fotos: European Gymnastics