Schulsport – Die einen hassen ihn, die anderen lieben ihn. Kaum ein Fach polarisiert bei den Schülerinnen und Schülern so sehr, wie der Sportunterricht und oftmals ganz besonders der Schwimmunterricht. Die Herausforderungen des Schulfaches zeigen sich in den letzten Jahren immer deutlicher: Lehrermangel, veraltete Einrichtungen, begrenzte Vielfalt und Ungleichheiten sind nur einige der Schwierigkeiten, die im Schulalltag zu bewältigen sind. Doch nun drängt sich die Frage auf, wie die Zukunft des Unterrichtsfachs gestaltet werden kann und sollte.
Prof. Dr. Filip Mess, Leiter der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik, wurde vom Deutschlandfunk eingeladen, um mit Moderator Maximilian Rieger über das Thema „Bildung – Wie der ideale Schulsport aussehen könnte" zu sprechen. In der am Maifeiertag, dem 01.05.2024, ausgestrahlten, rund 50-minütigen Sendung, diskutierte der erfahrene Bildungspädagoge Herausforderungen und potenzielle Lösungsansätze für den Schulsport von morgen.
Was sind die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler?
Grundsätzlich, so betont Mess, müsse im Sportunterricht eine größere Balance gefunden werden, um auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzugehen: „Es gibt Kinder und Jugendliche, die betreiben den Sport aus Leistungsgedanken, um sich mit anderen vergleichen zu können, wohingegen andere den Sport aus einem sozialen oder gesundheitlichen Motiv betreiben. Diese Vielfalt müsse im Sportunterricht berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass kein Teil der Schülerschaft vernachlässigt wird.“
Aber auch die Notengebung muss in den Blick genommen werden. Hierbei gebe es noch „Luft nach oben, denn bisher orientiert sich die Benotung stark an sportmotorischen Kriterien wie beispielsweise messbaren Werten von Höhe oder Weite. Jedoch sollten weitere Kriterien wie personale, soziale und fachliche Aspekte im Bereich der Sporttheorie einfließen, um eine fairere Bewertung zu ermöglichen. Beispielsweise, wie verhalten sich die Schülerinnen und Schüler in Sportspielen oder helfen sie beim Aufbauen der Übungen. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass diese zusätzlichen Kriterien in die Benotung integriert werden", so Mess.
Versäumnisse der Politik zum Schulsport in Deutschland
Der Pädagoge monierte auch Versäumnisse der Politik. Seit 2006 gibt es keine umfassende Studie mehr zum Schulsport in Deutschland. Man agiere in einem „Blindflug, da man die Stellschrauben gar nicht kennt“, so Mess. Er erläutert, manche Bildungspolitiker und -politikerinnen scheuen empirische Studien, weil diese gravierende Problemfelder des Sportunterrichts sichtbar machen könnten. „Das sieht dann für die Bildungs- und Gesundheitspolitik nicht vorteilhaft aus. Wir würden gerne empirische Studien durchführen, werden aber oftmals von den Kultusministerien ausgebremst“.
Trotzdem habe er natürlich genaue Vorstellungen vom idealen Unterricht. Mess, der Sport als sein ehemaliges Lieblingsfach bezeichnet, erklärt, dass bestenfalls tägliche Sportstunden in den Schulalltag integriert werden sollten: „Die Umsetzung von Konzepten für eine bewegte und gesunde Schule, bei der auch die Architektur der Einrichtungen die Kinder zur Bewegung animiert, bleibt bisher allerdings eine Utopie. Skandinavische Länder dienen hierbei als Vorbild, indem Bewegung integraler Bestandteil des Schulalltags ist und die Gestaltung der Gebäude zur Aktivität anregt.“
Auch die theoretische Vermittlung von Gesundheitskompetenz im Sportunterricht sei dabei entscheidend. „Sie befähigt die Schülerinnen und Schüler, ein gesundheitsorientiertes Training durchzuführen und die Effekte von Übungen zu verstehen, was wiederum ihre bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz steigert und sie dazu motiviert, mehr Sport zu treiben. Es ist jedoch wichtig zu betonen, das Bewegungsfeld des Sports nicht ausschließlich zu theoretisieren, sondern auch praktische Erfahrungen zu ermöglichen“, ergänzt Mess.
Der Schulsport der Zukunft
In Bezug auf die Diskussion über Leistungsdebatten im Sportunterricht herrschen grundsätzlich unterschiedliche Ansichten. Filip Mess bringt dies auf den Punkt: „Hier gibt es immer zwei Lager. Ich glaube, entscheidend ist, eine gute Balance zu finden. Leistungsvergleiche finde ich nach wie vor wichtig.“ Dabei solle jedoch auch das individuelle Leistungserleben im Unterricht gefördert werden, ohne Vergleiche anzustellen und Frustration bei den Schülerinnen und Schülern auszulösen.
Letztlich verfolgt der Sportunterricht in Schulen ein doppeltes Ziel, was in Zukunft wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden sollte, wie Filip Mess erklärt: „Der Auftrag des Sportunterrichts besteht darin, möglichst alle Kinder und Jugendlichen für den Sport zu begeistern und ihren individuellen Sinn des Sporttreibens zu erfahren.“ Dabei solle der Sport nicht nur die körperliche Fitness fördern, sondern auch wichtige Bildungsziele wie Fairplay, Kooperation und Toleranz vermitteln. Dies erfordert einen modernen und qualitativ hochwertigen Sportunterricht, der die Schülerinnen und Schüler ganzheitlich anspricht und ihre Persönlichkeitsentwicklung unterstützt.
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Zum Beitrag „Bildung – Wie der ideale Schulsport aussehen könnte“ im Deutschlandfunk
Kontakt:
Prof. Dr. Filip Mess
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24520
E-Mail: filip.mess(at)tum.de
Text: Bastian Daneyko
Fotos: Privat