„Relative Energy Deficiency in Sports“, kurz REDs, ist ein komplexes Syndrom, das aus einer im Verhältnis zum Training zu geringen Energiezufuhr resultiert. Eine Essstörung kann hier nur eine von vielen Symptomen sein, auch Hormonstörungen, Antriebslosigkeit oder gar Depressionen sind als Folgen denkbar.
Prof. Dr. Karsten Köhler, Leiter der Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit, beschäftigt sich in seiner Forschung mit dem Zusammenspiel von Ernährung und Sport zur Optimierung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Auch mit dem Thema REDs ist er wissenschaftlich seit Jahren befasst. Trotz zunehmender Forschungsaktivitäten und auch steigender Aufmerksamkeit in der Praxis ist das Syndrom immer noch zu wenig bekannt.
Aus diesem Grunde hat Prof. Köhler gemeinsam mit einer Gruppe Forscher_innen aus Europa und Nordamerika nun eine Übersichtsstudie veröffentlicht, die sich mit Strategien zur Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention von REDs befasst. Darin werden Best-Practice-Präventionsleitlinien empfohlen, die sich an das Gesundheits- und Leistungsteam von Athlet_innen, das Umfeld von Athlet_innen (z. B. Trainer_innen, Eltern, Manager) sowie Sportorganisationen richtet. Der Aufsatz mit dem Titel „Primary, secondary and tertiarty prevention of Relative Energy Deficiency in Sport (REDs): a narrative review by a subgroup of the IOC consensus on REDs“ wurde nun im „British Journal of Sports Medicine“ veröffentlicht. Die Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 18,4.
„Wir haben das REDs-Modell etwa zehn Jahre nach Entstehung des Begriffs mit neuer wissenschaftlicher Evidenz nun noch einmal neu aufgearbeitet“, erklärt Prof. Köhler. „Das Problem war bislang, dass unklar war, mit welchen klinischen Indikatoren Ärzt_innen das Syndrom diagnostizieren können. Wir wollten daher einen Rahmen schaffen, um REDs sowohl in der Prävention als auch in der Behandlung in den Griff zu bekommen.“
Dafür wurden drei Präventionsstufen identifiziert. Anhand von Primärprävention soll eine Krankheit bereits verhindert werden, bevor sie überhaupt auftritt. Diese sollte insbesondere schon bei Risikogruppen angewandt werden. Vor allem Athlet_innen in gewichtssensiblen und schlankheitsfordernden Sportarten sowie weibliche und jugendliche Athlet_innen benötigen hierbei spezielle Aufmerksamkeit.
„Ich war primär an der Entwicklung der Strategien zur Primärprävention beteiligt“, sagt Prof. Köhler. „Wir wollten hier insbesondere einen umfassenden Überblick über die Faktoren geben, die an der Entstehung von REDs beteiligt sind. Es gibt einzelne Sportarten wie Skispringen oder aktuell das Klettern, in denen der Umgang mit einem geringen Körpergewicht bereits thematisiert wird. In vielen anderen Sportarten, in denen ein geringes Gewicht oder das äußere Erscheinungsbild eine Rolle spielen, gibt es keine Regeln hierzu. Insofern benötigen wir hier eine gewisse Kultur, um REDs vorzubeugen.“
Im Rahmen der Sekundärprävention soll eine frühzeitige Erkennung von REDs-Anzeichen oder -Symptomen stattfinden, um eine frühzeitige Behandlung zu ermöglichen und so die Entwicklung schwerwiegenderer Folgen wie beispielsweise Osteoporose zu verhindern. Dafür eignen sich insbesondere Strategien wie Instrumente zur Selbsteinschätzung, individuelle Gesundheitsbefragungen sowie die objektive Bewertung von REDs-Markern.
Die Tertiärprävention bzw. eine klinische Behandlung kommen zum Einsatz, um kurzfristige oder langfristige schwerwiegende gesundheitliche Folgen von REDs zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. Dabei ist es essentiell, die Ursache der niedrigen Energieverfügbarkeit zu ermitteln und zu behandeln. Wenn bereits eine Erkrankung vorliegt, sollten die Erhöhung der Energiezufuhr, eine Verringerung des Energieverbrauchs bei körperlicher Betätigung oder eine Kombination aus beidem im Vordergrund stehen.
Auch der Medienkonsum kann das REDs-Syndrom begünstigen, weiß Prof. Köhler: „Wir müssen Risikofaktoren für gestörtes Essverhalten auf Basis von Gewicht oder Aussehen reduzieren. Hier spielen auch die sozialen Medien eine gewisse Rolle, denn das eigene Verhalten kann anhand von bestimmten Inhalten auch bestätigt oder getriggert werden. Insofern müssen wir dazu beitragen, das Thema auch ein Stück weit zu normalisieren.“ Daher begrüßt Prof. Köhler, dass immer mehr Athlet_innen auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen über REDs sprechen und dazu beitragen, das Syndrom auch zu enttabuisieren.
Nach Einschätzung der Wissenschaftler_innen ist der beste Ansatz, um REDs zu verhindern, die primäre Prävention. Zudem ist die frühzeitige Erkennung bei gefährdeten Sportler_innen entscheidend, um das Fortschreiten von REDs zu verhindern. Daher wird ein multidisziplinärer Ansatz empfohlen, der sich an das Gesundheits- und Leistungsteam der_s Athlet_in, die Trainer_innen und die Sportorganisationen richtet und sich auf ein unterstützendes und sicheres Sportumfeld konzentriert.
Zum Aufsatz „Primary, secondary and tertiarty prevention of Relative Energy Deficiency in Sport (REDs): a narrative review by a subgroup of the IOC consensus on REDs“ im „British Journal of Sports Medicine“
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Kontakt:
Prof. Dr. Karsten Köhler
Professur für Bewegung, Ernährung und Gesundheit
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24488
E-Mail: karsten.koehler(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: “British Journal of Sports Medicine”/privat