Der Münchner Olympiapark präsentiert sich in diesen Tagen von seiner vielfältigsten Seite. Leichtathletik im Olympiastadion, Turnen in der Olympiahalle, BMX-Freestyle auf dem Olympiaberg. Sogar der Olympiasee wird für die Wettbewerbe im Triathlon als Schwimmstätte genutzt. Umgeben von dieser Sportvielfalt geht ein Gebäude beinahe unter: die kleine Olympiahalle. Gar unscheinbar in die natürliche Umgebung des Olympiaparks eingebettet, wird sie trotz ihrer architektonisch anspruchsvollen Bauweise oft nur als Annex des großen Bruders wahrgenommen. Auch bei diesen European Championships.
Und das, obwohl genau hier das entsteht, was ein Großteil der Welt von der elftägigen Multisportveranstaltung erfahren wird. Denn seit Beginn dieser European Championships befindet sich hier das Main Media Center, der Hauptanlaufpunkt für die knapp 1.400 akkreditierten Medienvertreter_innen aus aller Welt. Einer von ihnen ist Nico-Marius Schmitz. Für den Münchner Merkur und die tz berichtet er von den insgesamt neun Europameisterschaften.
Mit der Projektgruppe der TU München hat er über seinen Beruf und die täglichen Aufgaben bei der Berichterstattung von einem solchen Großevent gesprochen.
Herr Schmitz, mit den European Championships hat München, 50 Jahre nach den Olympischen Spielen, wieder ein sportliches Großevent hier im Olympiapark. Neben den Athlet_innen sind natürlich auch zahlreiche Medienvertreter_innen zu Gast, unter anderem Sie. Worin bestehen Ihre Aufgaben in diesen Tagen?
Nico-Marius Schmitz: "Ich betreue die European Championships verantwortlich für den Münchner Merkur und die tz. In der ersten Woche habe ich zunächst versucht, überall vorbeizuschauen. Da war ich beispielsweise beim Rudern oder beim Klettern vor Ort, um mir einen Überblick darüber zu verschaffen, was wo läuft und wie die verschiedenen Sportarten beim Publikum ankommen. Seit dieser Woche bin ich eigentlich von früh bis spät hier im Olympiapark, vor allem im Olympiastadion bei der Leichtathletik."
Seit 2019 sind Sie bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz, auch davor waren Sie schon journalistisch aktiv. Haben Sie eigentlich selbst studiert?
Nico-Marius Schmitz: "Das Studium läuft noch. Allerdings nicht Journalismus, sondern Soziologie, Germanistik und Europäische Ethnologie in Bamberg."
Und wie kamen Sie dann in den Journalismus und zum Münchner Merkur?
Nico-Marius Schmitz: "Ich habe zunächst zwei Praktika in der Online-Redaktion des Merkur bei Fußball-Vorort (Internetportal des Münchner Merkurs zum Amateurfußball, Anm. d. Red.) und beim kicker gemacht. Aber auch davor habe ich während meines Studiums schon als freier Journalist gearbeitet. Vor knapp drei Jahren kam dann die Anfrage aus München, dass sie einen Volontär suchen. Ich wusste, dass es anspruchsvoll wird, Studium und Volontariat unter einen Hut zu bringen. Aber diese Chance wollte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen Fuß in die Tür des Sportjournalismus zu bekommen und wichtige praktische Erfahrungen zu sammeln, sollte man das auch wahrnehmen. Nach den zwei Jahren Volontariat wurde ich als Redakteur übernommen."
Sie haben bereits angesprochen, dass Sie für den Merkur und die tz die Berichterstattung koordinieren. Wie sieht so ein Tag während den European Championships bei Ihnen aus?
Nico-Marius Schmitz: "Das kommt natürlich ganz darauf an, was an den Tagen sportlich so alles ansteht. Wenn vormittags schon Veranstaltungen stattfinden, die wichtig sind, dann bin ich auch vormittags schon vor Ort bei den Wettkämpfen. Ansonsten beginnt der Tag meistens hier am Main Media Center in der kleinen Olympiahalle, um sich einen Überblick zu verschaffen, was für uns interessant ist und worauf man seinen Fokus legt. Jeder Tag ist da unterschiedlich, man muss spontan und flexibel sein. Natürlich müssen wir schauen, wie die Wettbewerbe laufen, wo vor allem die deutschen Athleten Chancen haben. Wir wollen unseren Lesern aber auch Geschichten abseits von den Wettbewerben und bloßen Ergebnissen anbieten. Ich habe beispielsweise ein Interview mit der ukrainischen Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich geführt, die vom Krieg in ihrer Heimat erzählt hat. Ich versuche, so wenig Zeit wie möglich am Schreibtisch des Main Media Center zu verbringen, und so viel Zeit wie möglich im Stadion und bei den Sportlern."
Bei einem solch großen Event mit vielen, parallel stattfindenden Veranstaltungen ist es natürlich schwierig, alle Wettbewerbe abzudecken und überall vor Ort zu sein. Wie teilt Ihr das untereinander auf?
Nico-Marius Schmitz: "Zusammen mit Günter Klein, unserem Chefreporter, betreue ich die Berichterstattung. Zudem haben wir in der Redaktion Mathias Müller, übrigens ehemaliger Student am Lehrstuhl für Sport, Medien und Kommunikation der TU München, der das Gesamtkonzept vorgibt. Auch unser Volontär ist akkreditiert, somit können wir drei Leute einsetzen. Natürlich versuchen wir, vor allem die großen Entscheidungen selbst zu besetzen. Ich würde schon sagen, dass von den drei bis vier Seiten, die wir täglich über die European Championships veröffentlichen, circa 80 Prozent eigene Inhalte sind und wir relativ wenig durch beispielsweise Agenturen beziehen. Der Fokus unserer Berichterstattung liegt dabei natürlich auf dem Printbereich. Aber das geht bei uns Hand in Hand mit der Online-Abteilung, die Texte werden auch alle online ausgespielt."
Zum einen geht es also um das Zusammenspiel zwischen Print und Online, zum anderen geht es aber auch um das Zusammenspiel zwischen Merkur und tz. Wie kann man sich das vorstellen?
Nico-Marius Schmitz: "Die Texte sind grundsätzlich in beiden Zeitungen dieselben. Natürlich dreht die tz als Boulevardmedium anders als der Merkur. Da gibt es dann andere Überschriften oder andere Bilder. Bei einem Interview mit Alica Schmidt, die neben dem Sport ja auch eine hohe Social-Media-Präsenz hat, werden natürlich schon mal andere Schwerpunkte gesetzt. Grundsätzlich hat eine Boulevardzeitung natürlich den Fokus vermehrt auf Bildern und großen Überschriften, beim Merkur kann man dafür in der Regel länger schreiben. Wir schreiben die Artikel für beide Zeitungen, für die unterschiedlichen Zielgruppen und Leser werden sie natürlich auch unterschiedlich ausgespielt."
Die Merkur-tz-Mediengruppe fungiert bei den European Championships auch als offizieller Medienpartner. Bringt das Sonderrechte oder gar Pflichten mit sich?
Nico-Marius Schmitz: "Nein, Pflichten gibt es keine, man verkauft ja nicht seine Redaktion. Wir haben also keine Vorgaben, dass wir über irgendetwas berichten müssen. Natürlich ist als Medienpartner die Kooperation an der ein oder anderen Stelle vielleicht nochmal etwas enger, aber es gibt keine weiteren Vorteile oder Sonderrechte. Das würde ich aber auch gar nicht wollen, jeder soll hier dieselbe Chance bekommen, seine Inhalte zu produzieren."
Die European Championships finden in diesem Jahr nach 2018 zum zweiten Mal statt. Wie bewerten Sie die gemeinsame Austragung diverser Europameisterschaften unter einem Dach aus medialer Perspektive?
Nico-Marius Schmitz: "Durch die Zusammenlegung dieser neun Europameisterschaften hat man natürlich tausende Möglichkeiten, Geschichten zu suchen. Wer hier keine gute Story findet, ist selbst schuld. Vor allem hat man hier den direkten Draht zu den Sportlern. Das kann man mit dem Fußball beispielsweise gar nicht vergleichen. Dort durchläuft jedes Interview zehn verschiedene Autorisierungen und am Ende ist keine Aussage mehr da. Hier kann man direkt und ohne Umwege mit den Athleten reden, es ist einfach viel nahbarer."
Bei der zwangsläufig großen Anzahl an Medaillenentscheidungen und Athlet_innen bedarf es aber auch einer intensiven Vorbereitung. Wie schafft man es, sich in allen Sportarten gut genug auszukennen, um darüber berichten zu können?
Nico-Marius Schmitz: "Natürlich kann man nicht in jeder Sportart Experte sein. Man hat vielleicht seine drei bis vier Sportarten, in denen man sich wirklich gut auskennt, aber ein Grundwissen sollte man schon überall haben. Es geht vor allem darum, sich beispielweise bei Interviews gut auf den Sportler vorzubereiten. Die merken recht schnell, ob du dich mit ihnen auseinandergesetzt hast oder dir noch schnell vor Interviewbeginn etwas überlegst. Gerade bei einem Interview wie mit Niklas Kaul nach seinem EM-Titel, der davor schon bei vier TV-Sendern war, geht es darum, auch mal eine Frage zu stellen, die die anderen Journalisten vielleicht noch nicht gestellt haben."
Vor allem geht es aber auch darum, das Interview so zeitnah wie möglich zu führen, um die Aussagen noch verwerten zu können. Gerade bei den Wettkämpfen in der Leichtathletik wird es ja meistens sehr spät, was vor allem für den Printbereich schwierig sein dürfte.
Nico-Marius Schmitz: "Bei den Abendsessions der Leichtathletik muss man wirklich versuchen, mit Abschluss des Wettbewerbes fertig zu werden. Dann beginnt der Sprint in Richtung Mixed Zone, um noch die eine oder andere Stimme zu bekommen. Trotzdem ist es bei so späten Veranstaltungen klar, dass die Texte nicht mehr in allen Ausgaben landen können. Umso wichtiger ist es, dass diese auch online veröffentlicht werden. An so einem Abend geht es bei uns wirklich um jede Minute."
Text/Interview: Simon Sandig
Fotos: Michelle Brey & Nico-Marius Schmitz