Der deutsch-französische Kultursender „arte“ hat einen TV-Beitrag zum Thema „Scheitern“ unter der Mitwirkung des Lehrstuhls für Sportpsychologie der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften (SG) ausgestrahlt. Für das Magazin „Xenius“ analysierte Ordinarius Prof. Dr. Jürgen Beckmann, wie sich Gedanken auf Erfolg und Misserfolg auswirken.
Das Versagen in Leistungssituationen gehört zu den Kernthemen der Sportpsychologie. Unter „Choking under pressure“ wird ein deutlicher Leistungsabfall von Sportlern in Stresssituationen wie etwa wichtigen Wettkämpfen verstanden. Eine Bewegung, die durch intensives Training eigentlich automatisiert sein müsste, kann in einer entscheidenden Wettkampfsituation nicht mehr abgerufen werden. Dazu gehört beispielsweise auch das Elfmeterschießen im Fußball.
Während der Dreharbeiten an der Fakultät stellte sich der ehemalige Profifußballer Jonas Hummels (SpVgg Unterhaching) für ein Experiment zur Verfügung. er sollte insgesamt sechsmal auf eine Torwand schießen, zuerst dreimal unten, dann dreimal oben. Nach jedem Schuss gab Prof. Beckmann ein klares Signal mit den Worten „Treffer“ oder „Fehlschuss“, um den Druck auf Hummels zu erhöhen. Im Beitrag sollte verdeutlicht werden, was im Kopf passiert, wenn ein Mensch unter Leistungsdruck versagt.
„Wenn wir anfangen, darüber nachzugrübeln, dass etwas schiefgehen könnte, dann schaffen wir dafür Voraussetzungen, dass es tatsächlich auch schiefgehen kann“, erklärt Prof. Beckmann. „Wenn ich selbstsicher und davon überzeugt bin, dass ich es schaffe, habe ich gute Voraussetzungen, um erfolgreich etwas zu bewältigen.“
Hummels traf am Ende zweimal – einmal oben, einmal unten. Im TV-Interview ist der ehemalige Fußballprofi, der mittlerweile als Experte für den Streamingdienst „DAZN“ tätig ist, überzeugt, dass „Scheitern natürlich immer irgendwo im Kopf passiert. Das ist der Ort, an dem die Emotionen durchkommen. Als ich meine Karriere nach einer Verletzung beenden musste, hatte auch ich gewisse Gefühle des Scheiterns. Ich habe es nicht mehr geschafft, fit zu werden. Andere Spieler hatten ähnliche Verletzungen und sind vielleicht doch zurückgekommen. Da passiert schon ziemlich viel im Kopf.“
Parallel zum Torwand-Schießen unterzog sich ein Proband im Labor des Lehrstuhls für Sportpsychologie einem Versuch, das Computerspiel „Pong“, das in den 1970er Jahren zum ersten weltweit beliebten Videospiel wurde, zu meistern. Anhand eines Elektroenzephalografie (EEG)-Gerätes wurden währenddessen seine Gehirnwellen gemessen und verglichen, wie sich diese in Erfolgs- und Misserfolgssituationen unterscheiden.
„Wenn eine Person unter Leistungsdruck steht, weil sie alles richtig machen will, verändert sich die Tätigkeit im Gehirn und wir sehen in einigen Arealen eine deutlichere Aktivierung, während andere Bereiche eher wegfallen. Insbesondere findet sich eine starke Aktivierung in der linken Gehirnhälfte. Das hat etwas damit zu tun, dass auf einmal sehr stark darüber nachgedacht wird, wie etwas getan werden und was man gleichzeitig vermeiden soll. Genau dies führt letzten Endes dazu, dass unter Druck versagt wird“, analysiert Prof. Beckmann die Ergebnisse.
In weiteren Projekten, die in dem Fernsehbeitrag thematisiert wurden, fand Prof. Beckmann heraus, dass durch das zehn- bis 20-sekündige Drücken eines Balles mit der linken Hand kurz vor schwierigen Aufgaben entspannende und beruhigende Alpha-Wellen im Gehirn produziert werden, die das Grübeln bzw. Nachdenken unterdrücken: „Wenn der Ball mit der linken Hand gedrückt wird, sehen wir einen Anstieg der Alpha-Wellen zunächst in der rechten Gehirnhälfte. Die Alpha-Wellen breiten sich dann über die gesamte Großhirnrinde aus. Dadurch kann die Aktivierung der linken Gehirnhälfte, die sich störend auswirkt, gehemmt bzw. verschoben werden.“
Die Maßnahme kann auf verschiedene Drucksituationen im Sport übertragen werden. Im zweiten Teil des Experimentes mit Jonas Hummels drückte dieser mit der linken Hand einen Ball, bevor er auf die Torwand schoss und traf deutlich häufiger als im ersten Teil. Neben dem Elfmeterschießen im Fußball wurde auch die Genauigkeit eines Tennisaufschlags oder eines Putts beim Golfen untersucht. Darüberhinaus war auch die Sturzprävention bei älteren Menschen bereits Forschungsgegenstand. Bislang sind erfolgreiche Auswirkungen jedoch nur bei Rechtshändern festzustellen.
Zum TV-Beitrag „Xenius: Scheitern“ auf arte.tv
Zur Homepage des Lehrstuhls für Sportpsychologie
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Beckmann
Lehrstuhl für Sportpsychologie
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24541
E-Mail: juergen.beckmann(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: Romy Schwaiger/arte