„Draußenunterricht“
Die Entwicklung und Beforschung eines innovativen Unterrichtskonzepts
Auf einen Blick
Die Prävalenz für unzureichende körperliche Aktivität und psychische Auffälligkeiten ist im Kindes- und Jugendalter in Deutschland seit Jahren konstant hoch. Zudem tritt die Schule als besonders bedeutsamer Stressfaktor im Leben von Kindern und Jugendlichen auf. In dem aktuellen Projekt untersucht unser Team die Effekte eines regelmäßigen Schulunterrichts in natürlichen Umgebungen auf das Aktivitätsverhalten und die Gesundheit von Schüler*innen an einem Ulmer Gymnasium. Zukünftige Forschungsvorhaben sind in diesem Themenfeld derzeit in Planung.
Hintergrund
Studien aus verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen deuten darauf hin, dass ein Mindestmaß an körperlicher Aktivität, der Aufenthalt in der Natur bzw. die Kombination beider Bedingungen sowohl positive Veränderungen des physischen und psychischen Wohlbefindens als auch der kognitiven Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen herbeiführen kann. Das Konzept des Draußenunterrichts scheint hierbei eine ideale Intervention zu sein, da alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden können. Die Befunde zum Nutzen eines regelmäßigen, lehrplankonformen Unterrichts an naturnahen oder kulturellen Orten außerhalb des Schulgebäudes sind vielfältig. In wissenschaftlichen Studien konnten bereits positive Veränderungen im Aktivitätsverhalten, der Aufmerksamkeit, dem Wohlbefinden, der sozialen Interaktion und stress-bezogenen Parametern von im Freien unterrichteten Kindern festgestellt werden. Einen Überblick über die inhaltlichen und methodischen Pläne innerhalb des Projektes vermittelt auch die Projektregistrierung beim Center for Open Science.
Ziel des Projekts
Aktuell führt die Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik unter anderem mit der Unterstützung der AOK Baden-Württemberg ein Projekt zur Beforschung des Draußenunterrichts am Anna-Essinger-Gymnasium (Ulm) unter dem Titel „Lernen in der Natur – Aspekte der physischen und psychischen Gesundheit, der Lernmotivation, der Lernleistung sowie des Naturbezugs im regelmäßigen Draußenunterricht“ durch. Hierbei begleiten die beteiligten Wissenschaftler die Implementierung des Konzepts an der Schule und untersuchen die Auswirkungen dieses Unterrichtskonzepts auf verschiedene Parameter der Schüler*innen, wie zum Beispiel die körperliche Aktivität, die Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Entwicklung der sozialen Netzwerke und die Naturverbundenheit.
Zeithorizont
Das Projekt in Ulm startete Mitte des Jahres 2019 und endete Ende 2021.
Perspektive
Umfangreiche, deutschlandweite Folgeprojekte zur Entwicklung, Ausweitung und Beforschung des Draußenunterrichts befinden sich bereits in Planung und sollen in den kommenden Jahren realisiert werden. Die Beforschung des Draußenunterrichts in verschiedenen Schulformen und Altersgruppen wird in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt der (Forschungs-) Tätigkeit unserer Arbeitsgruppe darstellen.
Die Thematik hat zuletzt insbesondere im Zuge der COVID-19 Pandemie weiter an Relevanz gewonnen. Dies unterstreichen die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, dass eine Ansteckung an der frischen Luft durch Aerosole im Vergleich zu Situationen in geschlossenen Räumen als äußerst gering einzuschätzen ist. Beiträge zu unserer Arbeit und dem Konzept des Draußenunterrichts an sich wurden in den letzten Monaten im Magazin Der Spiegel, auf Focus-Online und bei Sat.1-Bayern veröffentlicht. Das gesteigerte Medieninteresse bestärkt uns in der Überzeugung, den Draußenunterricht als innovatives Unterrichtskonzept anzusehen und seine Verbreitung mit Hilfe verschiedener Kooperationspartner weiter voranzutreiben.
Hilfestellung für interessierte Akteure des Bildungswesens
Mit dem Ziel, dass möglichst viele Schüler*innen zukünftig von den möglichen positiven Effekten des Draußenunterrichts profitieren, möchten wir interessierten Lehrkräften und Verantwortlichen im Bildungswesen den (gedanklichen) Einstieg in die Thematik des Draußenunterrichts erleichtern. Zu diesem Zwecke haben wir Praxishinweise zusammengestellt, die einen ersten Überblick darüber geben, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Draußenunterricht bereits vorliegen, welche theoretischen Überlegungen im Vorfeld notwendig sind und wie der Unterricht im Freien in der Praxis konkret umgesetzt werden kann. Hierbei unterstützten uns freundlicherweise die Kolleg*innen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - Landesverband Bayern e.V. tatkräftig.
Gerne stellen wir Ihnen diese Hinweise in Form einer kompakten Handreichung als PDF-Download zur Verfügung:
Austausch und Vernetzung
Um die Thematik des Lernens und Unterrichtens im Freien weiter voran zu bringen, ist der Austausch und die Vernetzung im deutschsprachigen Raum von essentieller Bedeutung. Auf den Homepages unserer Kooperationspartner aus Deutschland und der Schweiz erhalten Sie Unterrichtsmaterialien, aktuelle Meldungen zu Fortbildungen und Tagungen, sowie Literatur- und Praxishinweise. Außerdem können Sie dort Informationen zu den Akteuren aus Praxis, Poltik und Wissenschaft einsehen:
Auch wir selbst sind sehr interessiert am allgemeinen Austausch über die Thematik des Draußenunterrichts und an Forschungs- und Praxiskooperationen mit bereits im Freien unterrichtenden Schulen oder Lehrkräften. Nehmen Sie deshalb bei Anliegen jeder Art gerne Kontakt mit uns auf.
Dr. Christoph Mall & Jan Ellinger
(Fotos: Christian Rettich/privat)