Mit gerade einmal 25 Jahren beendete Deutschlands erfolgreichste Biathletin Laura Dahlmeier im vergangenen Jahr ihre aktive Karriere. Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang/Südkorea gewann sie zweimal Gold und einmal Bronze, dazu kamen insgesamt sieben Gold-, drei Silber- und fünf Bronzemedaillen bei Biathlon-Weltmeisterschaften, 20 Weltcup-Siege sowie der Triumph im Gesamtweltcup der Saison 2016/17. Seit Oktober 2019 studiert die gebürtige Garmisch-Partenkirchnerin Sportwissenschaften an der TU München.
Frau Dahlmeier, Sie studieren mittlerweile im zweiten Semester Sportwissenschaften an der Technischen Universität München. Wie gefällt Ihnen das Studium bislang?
„Das Studium ist richtig spannend, vielseitig und abwechslungsreich. Es freut mich nach wie vor, dass ich es begonnen habe. Ich hätte nicht gedacht, dass die Sportwissenschaft so viele Bereiche umfasst. Vor allem im ersten Semester ist es im weitesten Sinne natürlich um Sport gegangen, aber die Inhalte waren sehr breit gefächert. Es waren viele Module und Fächer dabei, die ich selbst so gar nicht auf dem Schirm hatte.“
Warum haben Sie sich für ein Studium der Sportwissenschaften entschieden?
„Mir macht Sport unheimlich viel Spaß! Ich bin gerne im Freien, bewege mich gerne und beschäftige mich ebenso gerne mit Sport und Training. Insofern lag es auf der Hand, Sportwissenschaft zu studieren. Ein weiterer Grund war, dass das Studium an der TUM relativ theoretisch und auch sehr facettenreich aufgebaut ist. Mir war wichtig, dass wir bei sämtlichen Sportarten nicht nur die Praxis, sondern vor allem auch die Hintergründe vermittelt bekommen. Denn mich interessiert natürlich, was alles hinter der Sportwissenschaft steckt.“
Gibt es einen Bereich, der Sie besonders interessiert und in dem Sie sich auch später beruflich sehen?
„Natürlich ist das Thema Training ein Bereich, der mich sehr interessiert. Aber ob ich dann später auch im Trainingsbereich beruflich arbeiten möchte, darauf will ich mich aktuell noch nicht festlegen. Für mich war vor allem wichtig, das Studium neutral und unbefangen anzugehen und Augen und Ohren offen zu halten. Ich möchte mir alle Fächer in Ruhe anschauen und mich nicht von Vornherein nur auf einen Bereich konzentrieren.“
In Zeiten des Coronavirus gestaltet sich auch Ihr Studium aktuell etwas anders als normal – wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
„Ich bin grundsätzlich ein sehr optimistischer Mensch. Das kommt mir gerade in dieser Situation sehr zugute. Ich hatte von Anfang an keine Angst davor, dass ich krank werden könnte. Aber ist es natürlich schon erschreckend, was mit unserer Welt derzeit passiert. Die Einschränkungen für die Gesamtbevölkerung sind schon immens und auch für die Wirtschaft ist es eine riesige Herausforderung. Man muss versuchen, seinen Alltag bestmöglich zu organisieren, zu strukturieren und flexibel zu bleiben. Aber es erfordert natürlich ein bisschen Umdenken.“
Wie kommen Sie bislang mit der digitalen Lehre im Sommersemester zurecht?
„Ich bin sehr froh, dass ich jetzt schon im zweiten Semester bin. Das erste Semester online zu absolvieren, wäre nicht unbedingt das, wie man sich das Studieren vorstellt. Aktuell funktioniert die digitale Lehre ganz gut, und es gibt einige Dozenten, die das richtig gut hinbekommen. Natürlich wäre es schön, wenn gewisse Inhalte auch im Präsenzstudium stattfinden würden. Ich kann allerdings auch verstehen, dass die großen Vorlesungen mit 250 bis 500 Personen nicht im Hörsaal durchgeführt werden können. Aber zumindest bei den kleinen Modulen, bei denen wir in Gruppen eingeteilt sind, wäre es wünschenswert, wenn man zum Ende des Semesters noch zwei bis drei Lehreinheiten vor Ort hätte.“
Nach langem Hin und Her wurden die Olympischen Sommerspiele in Tokio aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie auf 2021 verschoben. War das die richtige Entscheidung?
„Angesichts der aktuellen Lage und wie sich die Situation mit dem Coronavirus entwickelt hat, verstehe ich die Entscheidung und finde, dass es die richtige war. Aus sportlicher Sicht ist es natürlich drastisch. Auf Olympische Spiele bereitet man sich eine lange Zeit vor, zudem finden sie nur alle vier Jahre statt. Viele Sportler_innen haben ihre Karriere so geplant, dass sie diesen Höhepunkt noch einmal mitnehmen und im Anschluss zurücktreten wollten. Das IOC hat ja auch ein bisschen gezögert mit seiner Entscheidung. Dann ist es natürlich schwierig, wenn man als Sportler_in in der Luft hängt und nicht weiß, ob man in den nächsten vier Wochen im Training noch das Maximum herausholen soll.“
Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, dass Sie Ihr Karriereende bekannt gegeben haben – was hat sich in diesem Jahr für Sie verändert?
„Ich wollte immer Biathletin und Leistungssportlerin werden, das war mein ganz großes Ziel. Deshalb habe ich mein Leben auch komplett auf den Sport ausgerichtet. Ich habe aber auch gewusst, dass ich den Sport nicht ewig machen kann. Von daher ist die Entscheidung für mich nicht so plötzlich gekommen. Trotzdem verändert sich aber natürlich alles, wenn die ganze Leistungssportstruktur wegbricht. Ich habe diese Freiheit im Sommer aber sehr genossen. Ich war unheimlich viel unterwegs, ob beim Radfahren oder beim Klettern. Auf der anderen Seite habe ich aber auch gemerkt, dass ein Leben ganz ohne Struktur auch nicht das Wahre ist. Mit diesem Überangebot an Möglichkeiten ist es nicht so einfach, seinen Alltag zu gestalten und seinen Rhythmus zu finden.“
Aktuell absolvieren Sie die Trainerausbildung im Biathlon – wäre Biathlon-Bundestrainerin ein Job für Sie?
„Richtig, aktuell mache ich meinen B-Trainer-Schein, aufgrund von Corona mussten wir hier leider auch pausieren. Wir haben einen Teil schon absolviert, es steht aber auch noch ein Teil aus, der jetzt im Frühjahr geplant gewesen wäre. Im Moment arbeite ich jetzt an meiner Hausarbeit und habe mir dafür ein Technikprojekt herausgesucht. Ich finde die Trainerausbildung spannend, aber ob ich jetzt gleich die neue Bundestrainerin werde, das wage ich zu bezweifeln. Ich glaube es eher nicht, zumindest nicht in naher Zukunft.“
Nach Ihrer Biathlon-Karriere haben Sie nun eine zweite sportliche Leidenschaft für sich gefunden – das Trailrunning. Wie kam es dazu?
„Wenn man in Garmisch-Partenkirchen geboren ist und man laufen gehen möchte, dann muss man zwangsläufig einen Berg hinauf- und wieder herunterlaufen, weil es nicht so viele flache Strecken gibt. Ich werde oft gefragt, wann ich mit dem Trailrunning angefangen habe, aber im Endeffekt laufe ich in den Bergen, seit ich laufen kann. Schon während meiner aktiven Biathlon-Karriere habe ich zweimal am „Zugspitz Ultratrail“ teilgenommen, im vergangenen Jahr war ich zum dritten Mal dabei. Zu dem Zeitpunkt war ich recht fit und konnte auch direkt die Distanz über 38,7 Kilometer gewinnen. Mein Sieg war zeitgleich die Qualifikation für die Berglauf-Weltmeisterschaft in Argentinien im Herbst. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Die Zeit in Argentinien war für mich eine sehr spannende Erfahrung, aber ich weiß auch, dass ich aktuell nicht mehr bereit bin, Leistungssport auf dem Niveau zu machen.“
Seit letzten Dezember verstärken Sie das ZDF-Team als Biathlon-Expertin – wie waren Ihre ersten Einsätze im Fernsehen?
„Die Arbeit als ZDF-Expertin macht mir richtig viel Spaß. Es ist schon erstaunlich, wie viele Personen Teil einer TV-Crew sind. Als Sportler nimmt man das gar nicht so wahr, sondern sieht nur die Kameras, die im Wald stehen, oder den Reporter, der einen nach der Ziellinie interviewt. Es war daher sehr spannend, die Seite und den Blickwinkel zu wechseln.“
Wie sind Sie in der ZDF-Redaktion aufgenommen worden?
„Vom Großteil bin ich ganz normal als Kollegin aufgenommen werden. Einige wenige, die nicht unbedingt täglich mit den Sportlern zu tun haben, haben mich zu Beginn noch mehr als ehemalige Profisportlerin und Olympiasiegerin wahrgenommen, weshalb noch etwas Respekt vorhanden war. Glücklicherweise hat sich das aber schnell gelegt, als die gemerkt haben, dass ich auch nur ein Mensch bin.“
Was sind für Sie die größten Herausforderungen bei der Fernseharbeit?
„Das Zeitmanagement bei einer Übertragung ist herausfordernd. Man hat nur wenig Zeit, um seine Informationen weiterzugeben. In dieser kurzen Zeitspanne immer die richtige Formulierung zu treffen und nicht zu hastig zu sprechen, ist gar nicht so einfach. Man hat immer auch ein Auge auf die Uhr. Dadurch entsteht Druck. Aber man darf sich am Ende des Tages auch nicht verkrampfen, selbst wenn die Sendung live ist und man nur wenige Sekunden zur Verfügung hat.“
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute für Ihr Studium an der TUM!
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Kontakt:
Romy Schwaiger
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E-Mail: Romy.Schwaiger(at)tum.de
Interview: Romy Schwaiger
Fotos: tri:ceps GmbH/Laura Dahlmeier