Hat Sport zur Verbreitung des Coronavirus beigetragen? Sollte man in Zeiten von Coronavirus Sport treiben? Das Coronavirus hat die Sportkultur und das Sporttreiben weltweit verändert und viele Menschen haben Fragen hierzu. Aus diesem Grund hat der Lehrstuhl für Sportbiologie um Ordinarius Prof. Dr. Henning Wackerhage sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Martin Schönfelder und Dr. Philipp Baumert ein umfangreiches Review zu „Sport und COVID-19“ erstellt, das nun in der „Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin“ veröffentlicht wurde. Daran beteiligt waren auch der schottische Virologe Prof. Dr. Roger Everett, die Sportwissenschaftler Prof. Dr. Karsten Krüger (Justus-Liebig-Universität Gießen) und Prof. Dr. Sebastian Gehlert (Universität Hildesheim), der Sportmediziner Prof. Dr. Dr. Perikles Simon (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) sowie die Biochemikerin Dr. Marta Murgia (Max-Planck-Institut für Biochemie). Die Publikation ist die meistgelesene deutschsprachige Zeitschrift in der Sportmedizin.
„Die Idee zu diesem Review ist dadurch entstanden, dass der Sport per se neben anderen Großveranstaltungen einen nicht unerheblichen Anteil an der Verbreitung der COVID-19-Pandemie in Europa hatte“, erklärt Prof. Wackerhage. „So scheint die Champions-League-Viertelfinal-Partie am 19. Februar 2020 zwischen Atalanta Bergamo und FC Valencia vermutlich nicht nur das Aufkommen des Coronavirus in Norditalien beschleunigt zu haben, sondern auch zum Ausbruch in Spanien beigetragen zu haben.“ Ein zweites Beispiel für eine sportbedingte Ausbreitung steht im Zusammenhang mit dem österreichischen Skigebiet Ischgl. Dort haben sich wohl hunderte Touristen mit dem Coronavirus infiziert und dieses dann in Europa verbreitet. „Aus diesem Grund wollten wir das Thema ‚Sport und COVID-19‘ aufgreifen und behandeln“, so der Ordinarius für Sportbiologie.
Im Review werden folgende fünf Fragen zum SARS-CoV-2-Coronavirus, der dadurch hervorgerufenen COVID-19-Krankheit sowie zu Sport beantwortet:
- Was wissen wir über das SARS-CoV-2-Coronavirus, das die COVID-19-Krankheit verursacht?
- Was wissen wir über die COVID-19-Krankheit und wird sie durch körperliche Belastung beeinflusst?
- Wie hat sich die COVID-19-Pandemie entwickelt, was war die Rolle des Sports, wie ist der weitere Verlauf und wie wird sie enden?
- Wie reagiert das Immunsystem auf SARS-CoV-2 und können wir durch körperliches Training eine SARS-CoV-2-Infektion verhindern?
- Wie sollten wir uns während der COVID-19-Pandemie körperlich betätigen, und wie können wir nach dem Höhepunkt der Pandemie sicher zu normaler Bewegung und Sport zurückkehren?
Im weiteren Verlauf des Reviews werden dann Kontrollmaßnahmen diskutiert, mit denen Sport und Bewegung vor Ende der COVID-19-Pandemie ermöglicht wird, bevor eine Herdenimmunität stattgefunden hat oder Massenimpfungen durchgeführt werden konnten.
Als Fazit für die Praxis wurden am Ende des Reviews folgende Punkte festgehalten:
- Da möglicherweise fast 50 Prozent der COVID-19-Infektionen durch Personen ohne Symptome erfolgen, sollten Sportler_innen andere Personen als mögliche SARS-CoV-2-Überträger behandeln.
- SARS-CoV-2-Infektionen werden vor allem über sorgfältige Hygiene wie Händewaschen, Physical/Social Distancing und Gesichtsmasken (Mund-Nasen-Schutz) vermieden. Es gibt laut aktuellen systematischen Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen keine gesicherte Evidenz, dass körperliches Training oder die Supplementation von Vitaminen wie C oder D bzw. andere Mittel das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko wesentlich minimieren.
- Einige Sportmassenveranstaltungen waren „Katalysatoren“ für die Ausbreitung von SARS-CoV-2. Basierend auf diesen Erfahrungen erscheint es wenig sinnvoll, vor der Entwicklung von Impfstoffen internationale Sportgroßveranstaltungen mit hohen Zuschauerzahlen bei einem akzeptablen SARS-CoV-2-Infektionsrisiko durchzuführen. Mögliche Übergangslösungen sind Sportveranstaltungen ohne Zuschauer oder eine Quarantäne für Sportler_innen, Offizielle und Zuschauer.
Zur Homepage des Lehrstuhls für Sportbiologie
Zur Veröffentlichung in der "Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin"
Kontakt:
Prof. Dr. Henning Wackerhage
Lehrstuhl für Sportbiologie
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24480
E-Mail: Henning.Wackerhage(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: Lehrstuhl für Sportbiologie