Im Freien in naturwissenschaftlichen Fächern unterrichtet zu werden, erhöht die Motivation von Schüler_innen. Das zeigt eine Studie, die an der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik von Studiendekan Prof. Dr. Filip Mess in Kooperation mit der Universität Stavanger und der Johannes Gutenberg Universität Mainz durchgeführt wurde.
"Unterricht im Freien ist ein Konzept, das aus Skandinavien stammt und bei uns bisher leider kaum verfolgt wird - obwohl es einige Vorteile mit sich bringt. Ulrich Dettweiler hat dies adaptiert, nach Deutschland gebracht und bei uns eine der ersten Studien hierzu durchgeführt", erklärt Prof. Mess.
Kooperation mit Universität Stavanger und Johannes Gutenberg Universität Mainz
Dettweiler, der an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften und der TUM School of Education promovierte, leitete das Projekt an der TUM und ist nun Associate Professor an der Universität Stavanger in Norwegen. "Zwischen dem naturwissenschaftlichen Unterricht und Umweltbildung herrscht noch immer eine konzeptionelle Lücke", erläutert Dettweiler den Ausgangspunkt des Projekts. Ziel der Gruppe um Dettweiler, Christoph Becker (Mitarbeiter der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik), Gabriele Lauterbach (ehemals Mitarbeiterin der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik) sowie Perikles Simon (Professor an der Johannes Gutenberg Universität Mainz) war, diese Lücke zu schließen und Schülerinnen und Schüler für die Naturwissenschaften zu gewinnen.
"Forscherwochen" mit rund 300 Schüler_innen
Dafür wurden die "Forscherwochen" am Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land gegründet. In den Jahren 2014 bis 2016 nahmen rund 300 Schüler_innen daran teil. Das Programm basiert auf dem Lehrplan für naturwissenschaftliche Fächer der Sekundarstufe I. Der einwöchige Aufenthalt wird im klassischen Unterricht vorbereitet. Dies wird vor Ort während der Forschungswoche fortgeführt, deren Höhepunkt eine zweitägige Forschungsexpedition mit Experimenten ist.
Sowohl vor als auch nach dem Kurs füllten die Schüler_innen einen Fragebogen aus, der sich mit ihrer Zufriedenheit und der allgemeinen Motivation bezogen auf ihre Autonomie befasste. Zum Abschluss der Woche berichteten die Teilnehmer_innen erneut über ihre Erfahrungen während des Outdoor-Unterrichts.
Grundbedürfnisbefriedigung ist beim Outdoor-Unterricht besser
Im pädagogischen Kontext sind es vor allem die psychologischen Grundbedürfnisse der Autonomie- und Kompetenzerfahrung sowie das Erleben guter sozialer Beziehungen, die das Motivationsverhalten beeinflussen. In der Studie zeigte sich nun, dass das Motivationsverhalten in beiden Kontexten gleichermaßen stark von diesen drei Bedürfnissen beeinflusst wurde, allerdings auf unterschiedlichem Niveau: Die Grundbedürfnisbefriedigung beim Unterricht im Freien ist signifikant höher als im Klassenzimmer. Vor allem Erfolgserlebnisse steigerten beim Unterricht im Freien die Motivation. Wenig bis keinen Einfluss auf diese Steigerung hatten dagegen die Schüler-Lehrer- oder Schüler-Schüler-Beziehungen sowie das Geschlecht.
Zu der in "Frontiers in Psychology" veröffentlichten Studie schlussfolgert Dettweiler, dass Outdoor-Unterricht mit explorativer Lernmethodik die Lernhaltung (intrinsische Motivation) von Schülern maßgeblich fördert. Explorativ bedeutet dabei, den Freiraum zu geben, über selbstständig organisierte Experimente den Schulstoff entdeckend zu lernen. Die Dynamik, die in der Natur einen starken Schub zu mehr "situativem Interesse" und "Lernmotivation" für naturwissenschaftlichen Stoff führe, könne in gelegentlichen Draußen-Lerneinheiten genauso hervorgerufen werden, so Dettweiler weiter.
Die für dieses Lehrprogramm erforschten und entwickelten Unterrichtstechniken sollten deshalb in den normalen Schulunterricht Einzug halten. "Bisher gibt es in Deutschland leider nur wenige Schulen, die regelmäßig Draußenunterricht anbieten", bilanziert Projektmitarbeiter Becker. Immerhin: Der neue "Lehrplan plus" des Ministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst beinhaltet das Themenfeld bereits. "Von besonderer Bedeutung ist, dass wir den Lehrern im Rahmen der Ausbildung die entsprechende Kompetenz vermitteln, um Draußenunterricht zielführend durchzuführen. Hier bestehen noch Defizite", erläutert Becker.
Die Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik wird sich in Forschung- und Lehre weiterhin mit Draußenunterricht beschäftigen. "Wir werden hier einen unserer Schwerpunkte legen - und dabei versuchen, den Ansatz auf den Bereich der Gesundheits- und Umweltbildung zu übertragen und hier zu evaluieren", sagt Mess.
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Kontakt:
Christoph Becker
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24534
E-Mail: Christoph.Becker(at)tum.de
Text: Sabine Letz & Fabian Kautz
Fotos: Valerie Frimmer, Bernhard Laux, Anton Hofreiter/TUM