Zum 1. Oktober 2025 folgte Prof. Dr. Moritz Schumann dem Ruf der Technischen Universität München und leitet seitdem die Professur für Experimentelle Trainingswissenschaften. Seine akademische Laufbahn begann an der University of Jyväskylä in Finnland, wo er 2016 promovierte. Im Jahr 2022 habilitierte er sich an der Deutschen Sporthochschule Köln und erhielt die venia legendi für das Fach „(klinische) Trainingsphysiologie“. Anschließend vertrat er ab Oktober 2022 die W3-Professur für Trainings- und Bewegungswissenschaft an der Universität Potsdam. Von 2023 bis 2025 war Prof. Schumann als Professor für Sportmedizin und Sporttherapie an der Technischen Universität Chemnitz tätig.
Prof. Schumann, herzlich willkommen am Department Health and Sport Sciences. Was bedeutet Ihnen der Ruf an die TUM?
„Es ist für mich eine große Ehre, an einer der führenden Universitäten in Deutschland, Europa und der Welt tätig zu sein. Besonders spannend ist für mich, dass die Sport- und Gesundheitswissenschaften mittlerweile ein starkes Standing haben. An der TUM begeistert mich aber vor allem die interdisziplinäre Ausrichtung und die Möglichkeit, eng mit den verschiedenen Fachbereichen zusammenzuarbeiten. Das erleichtert unsere Forschung enorm und eröffnet ganz neue Perspektiven.“
Vor diesem Hintergrund: Welche Rolle spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit für Ihre Arbeit konkret?“
„Eine sehr große: Ich verstehe die Trainingswissenschaft als eine Art Bindeglied zwischen den verschiedenen Disziplinen. Wir entwickeln Trainingskonzepte und führen interventionelle Studien mit unterschiedlichen Populationen durch – beispielsweise im Hochleistungssport oder auch in medizinischen Kontexten. Dort arbeiten wir unter anderem mit Patientinnen und Patienten in der Onkologie oder bei Diabetes-Erkrankungen zusammen. Unser Ziel ist immer, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern – sei es für Spitzenathletinnen und -athleten oder für klinische Populationen, für die die Bewegung überlebenswichtig sein kann.
Dabei spielt die Technologie eine zunehmend wichtige Rolle. Wir nutzen beispielsweise tragbare Sensoren und Wearables, um Trainingsbelastungen präziser zu erfassen und Anpassungsprozesse besser zu verstehen. Das Umfeld an der TUM ist dafür ideal – einerseits innerhalb des Departments Health and Sport Sciences, andererseits über die Grenzen hinaus. Für uns ist das ein Eldorado an Möglichkeiten.“
Was bedeutet denn die neue Bezeichnung der experimentellen Trainingswissenschaft?
„Im Kern geht es darum, die körperliche Leistungsfähigkeit gezielt zu verbessern – unabhängig davon, auf welchem Niveau jemand startet. Im Leistungssport geht es um die Optimierung von Höchstleistungen, im Gesundheitssport häufig um den Erhalt der körperlichen Funktionsfähigkeit. Wir entwickeln dafür evidenzbasierte Strategien und Konzepte, die wir in empirischen Studien überprüfen. Die Technologie hilft uns dabei, das Training messbar und nachvollziehbar zu gestalten. Wir erheben daraus die Daten, bewerten die Effektivität von Interventionen und validieren somit auch neue Messmethoden.“
Unter Ihrem Vorgänger Prof. Lames wurde die Trainingswissenschaft stark mit der Sportinformatik verbunden. Wie sehen Sie die Sportinformatik unter Ihrer Lehrstuhl-Leitung?
„Das ist tatsächlich ein äußerst sensibles Thema, weil es hierzu unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich persönlich sehe unseren Fokus breiter. Wir sprechen über Training – also über biologische Anpassungsprozesse – und nicht nur über Sport im engeren Sinne, wie beispielsweise Hochleistungssport. Die Sportinformatik spielt dabei weiterhin eine Rolle, insbesondere wenn es um Datenanalyse, Algorithmen und Künstliche Intelligenz geht. Wir wollen Belastungen quantifizieren, Trainingsdaten auswerten und daraus Erkenntnisse ableiten. Die Kernexpertise unserer Professur liegt aber klar in der Physiologie und Trainingskonzeption sowie im Darstellen von Zusammenhängen unterschiedlicher Systeme im Kontext der Leistungsfähigkeit.“
An welchen aktuellen Forschungsprojekten arbeiten Sie derzeit?
„Der Schwerpunkt liegt auf interventionellen Studien. Aktuell bringen wir drei große, EU-geförderte Projekte mit nach München. Darin geht es vor allem um die Weiterentwicklung von Sensortechnologien, die künftig in der Trainingspraxis eingesetzt werden sollen. Ein zentraler Punkt ist die sogenannte Datenfusion – also das Zusammenführen unterschiedlicher biologischer Messgrößen, um ein umfassendes Bild vom körperlichen Zustand zu erhalten. Ziel ist es etwa, Erholungsprozesse nach Belastungen besser vorhersagen zu können.
Zwei dieser Projekte sind leistungssport- und gesundheitsorientiert. Ein weiteres Vorhaben ist interdisziplinär mit klinischen Partnern angelegt und richtet sich an Kinder und junge Erwachsene mit mentalen Beeinträchtigungen. Dort geht es einerseits um Biomarkerforschung – also die Untersuchung messbarer biologischer Merkmale wie Hormone, Proteine oder Aktivitätsmuster, die Hinweise auf Gesundheit, Entwicklung oder Reaktionen auf Training geben können – und andererseits um die Entwicklung von Bewegungsstrategien, die zu einer besseren Teilhabe beitragen können. Ein spannendes Beispiel dafür, wie breit und anwendungsnah die Trainingswissenschaft heute gedacht werden kann.“
Wie fließt dieser Ansatz in Ihre Lehre ein?
„Mir ist es wichtig, Trainingswissenschaft ganzheitlich zu vermitteln. Statt sie in starre Kategorien zu pressen, wollen wir sie physiologisch und anpassungsorientiert denken. Im Mittelpunkt steht die Frage: Welche biologischen Veränderungen will ich mit einem bestimmten Training erreichen – körperlich oder mental? Und wie steuere ich diese Prozesse? Dabei spielt die Technologie auch in der Lehre eine zentrale Rolle. Studierende sollen lernen, Trainingsdaten kritisch zu interpretieren, technologische Hilfsmittel sinnvoll einzusetzen und die Grenzen solcher Systeme zu erkennen.“
Wie finden Sie denn persönlich Ausgleich zur Arbeit? Treiben Sie selbst Sport und wenn ja, welchen?
„Im Moment geht es für mich vor allem darum, fit zu bleiben. Ich fahre gerne Ski und Rennrad, allerdings eher hobbymäßig, und mache etwa zweimal pro Woche Krafttraining. Der Sport ist für mich ein Ausgleich, aber auch ein Stück gelebte Praxis unserer Forschung.“
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Kontakt:
Prof. Dr. Moritz Schumann
Professur für Experimentelle Trainingswissenschaften
TUM Campus im Olympiapark
Am Olympiacampus 11
80809 München
Tel: +49 (89) 289 - 24504
E-Mail: moritz.schumann(at)tum.de
Text: Bastian Daneyko
Foto: Privat