Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR), auch bekannt als Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege, ist ein unabhängiges, interdisziplinäres Gremium, das die Bundesregierung in Fragen der Gesundheitsversorgung wissenschaftlich berät. Seine Hauptaufgabe besteht darin, regelmäßig Gutachten zu erstellen, die medizinische und ökonomische Entwicklungen analysieren und Empfehlungen für die Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems geben.
Am 22. Mai 2025 stellte der SVR sein aktuelles, rund 200 Seiten umfassendes Gutachten unter dem Titel „Preise innovativer Arzneimittel in einem lernenden Gesundheitssystem“ im Rahmen der Bundespressekonferenz in Berlin vor. Eine zentrale Rolle bei der Erstellung des Gutachtens besaß Prof. Dr. Leonie Sundmacher, Leiterin der Professur für Gesundheitsökonomie. Als eines der sieben Mitgliederinnen und Mitglieder des SVR bringt sie seit Jahren ihre Expertise in Versorgungsforschung und ökonomischer Bewertung in die wissenschaftliche Politikberatung ein.
Im Vergleich zu anderen Ländern ermöglicht das deutsche Gesundheitssystem zwar einen schnellen Zugang zu neuen Therapien, doch dieser Fortschritt ist mit einer großen Kostensteigerung verbunden. Prof. Sundmacher fasst zusammen: „Die Ausgaben für Arzneimittel sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Sie machen nach der Krankenhausversorgung inzwischen den zweitgrößten Kostenblock in der Gesetzlichen Krankenversicherung aus, vor den Ausgaben für ärztliche Behandlungen. In den vergangenen Jahren beobachten wir insbesondere für Markteinführungen innovativer Arzneimittel immer höhere Preise. Der durchschnittliche Preis eines neu eingeführten patentgeschützten Arzneimittels lag vor 15 Jahren bei rund 1.000 Euro und schwankte zuletzt um Werte rund um 50.000 Euro. Vor diesem Hintergrund stellen wir mit unserem aktuellen Gutachten die Preisbildung für innovative Arzneimittel auf den Prüfstand.“
Die Gutachter warnen vor einer Überforderung des Systems und verlangen, Arzneimittelpreise konsequenter am tatsächlichen Nutzen für Patienten auszurichten – auch über den Lebenszyklus eines Medikaments hinweg. Dazu schlagen sie regelmäßige Re-Evaluationen vor sowie das Recht des Gemeinsamen Bundesausschusses, auch ohne Antrag neue Preisverhandlungen anzustoßen.
Kritisch sieht der Rat zudem das Machtungleichgewicht bei Preisverhandlungen: Pharmaunternehmen können den Markt jederzeit verlassen, während der GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) zum Abschluss gezwungen ist. Der SVR fordert hier mehr Verhandlungsspielraum für die Kassen und eine Rückkehr zur Erstattung lediglich in Höhe der Vergleichstherapie bis zur Einigung.
Auch die aktuelle Standortpolitik wird hinterfragt: hohe Arzneimittelpreise seien kein entscheidender Faktor für Investitionen. Stattdessen brauche es effiziente Verfahren, gut ausgebildetes Personal und eine moderne Forschungsdateninfrastruktur. Der SVR spricht sich gegen die im Medizinforschungsgesetz geplante Kopplung von Preisen an Standortentscheidungen aus.
Insgesamt enthält das Gutachten zahlreiche Reformvorschläge, darunter ein jährlich angepasstes und gedeckeltes Arzneimittelbudget sowie erfolgsabhängige Vergütungsmodelle. Ein „lernendes Gesundheitssystem“, so der Rat, müsse sich kontinuierlich weiterentwickeln, um Versorgungssicherheit und Finanzierbarkeit dauerhaft zu gewährleisten.
Das vollständige Gutachten ist auf der Website des SVR abrufbar. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Sachverständigenrates ist eine vertiefende Diskussion mit der Fachöffentlichkeit für den 27. Juni 2025 geplant.
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Kontakt:
Prof. Dr. Leonie Sundmacher
Professur für Gesundheitsökonomie
TUM Campus im Olympiapark
Am Olympiacampus 11
80809 München
Tel.: 089 289 24464
E-Mail: leonie.sundmacher(at)tum.de
Text: Jasmin Schol
Fotos: Pixabay/Privat