Signifikanter Zusammenhang
Die Studie von Marian Eberl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Epidemiologie, stellte einen signifikanten Zusammenhang fest, der Patient_innen mit primärem Lungenkrebs ein erhöhtes Risiko vorhersagt, eine rauchbedingte zweite primäre Krebserkrankung (auch Zweittumor oder Second Primary Cancers / SPC) zu entwickeln. Von den 135.589 überlebenden Patient_innen mit Lungenkrebs (68,2 % männlich; mittlerer Nachbeobachtungszeitraum: 30,8 Monate) entwickelten 5.298 einen Zweittumor.
Eberl zufolge stimmen diese Ergebnisse mit früheren Untersuchungen von Krebsregisterdaten aus den USA und dem Vereinigten Königreich überein. Auch hier konnten besonders hohe Risiken für die Entwicklung von Zweittumoren an Stellen mit direktem Kontakt mit Tabakrauch oder seinen Stoffwechselprodukten nachgewiesen werden, z. B. in Kopf, Hals, Kehlkopf, Dünndarm und Harnwegen.
Entgegen bisheriger Erkenntnisse und der sogenannten Survivor-Hypothese blieb das erhöhte rauchbedingte Krebsrisiko auch nach der Diagnose über den gesamten untersuchten Zeitraum von zehn Jahren bestehen. „Es müssen daher – auch auf politischer Ebene – stärkere Maßnahmen ergriffen werden, um Raucher_innen bei der Entwöhnung zu unterstützen und junge Menschen davon abzuhalten, überhaupt mit dem Rauchen anzufangen“, schlussfolgert Prof. Klug. Eberl betont die Bedeutung des Krebsregisters in der Praxis: „Solche wichtigen Erkenntnisse können wir nur mit hochwertigen und vollständigen Daten aus den Krebsregistern gewinnen.“
Ausgangssituation
Tabakrauchen ist nach wie vor die Hauptursache für Lungenkrebs weltweit. Trotz rückläufiger Zahlen in den letzten zwei Jahrzehnten rauchen in Deutschland aktuell noch 24 % der Männer und 19 % der Frauen. Schätzungen zeigen dabei, dass mehr als vier von fünf Lungenkrebsfällen auf das Rauchen zurückzuführen sind. Dennoch raucht ein großer Teil der Patient_innen mit einer Lungenkrebsdiagnose auch nach der Therapie weiter. Diese Patient_innen haben ein erhöhtes Risiko, eine zweite primäre Krebserkrankung – unabhängig von der ersten – zu entwickeln.
Methode und Datenbasis
Mithilfe von berechneten standardisierten Inzidenzraten (SIRs) – stratifiziert nach Alter, Geschlecht, Region und Zeitraum – wurden die Inzidenzen von rauchbedingten und anderen Zweittumoren mit der Allgemeinbevölkerung verglichen.
Das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) stellte die Daten für die Studie anonymisiert und mit grundlegenden Informationen über die Patient_innen zur Verfügung. Für die Studie wurden Daten von elf bevölkerungsbasierten Krebsregistern zusammengefasst, die etwa 50 % der deutschen Bevölkerung abdecken.
Die in der Analyse inkludierten Patient_innen erhielten die Diagnose Lungenkrebs zwischen 2002 und 2013, waren zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen 30 und 99 Jahre alt und überlebten mindestens sechs Monate.
Die Analyse beschränkte sich auf Lungenkrebs als Indexkrebs, da der hohe Anteil an Raucher_innen an der Krankheitsinzidenz hier gut belegt ist. Patient_innen, die jünger als 30 Jahre waren, wurden ausgeschlossen, da durch Rauchen verursachter Lungenkrebs erst ab diesem Alter mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auftritt.
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Zum Editorial “Informing Patient Surveillance for the Growing Number of Survivors of Lung Cancer”
Kontakt:
Prof. Dr. Stefanie Klug
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80922 München
Tel.: 089 289 24950
E-Mail: stefanie.klug(at)tum.de
Marian Eberl
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München
Tel.: 089 289 24958
E-Mail: marian.eberl(at)tum.de
Text: Gianna Banke
Fotos: „Journal of Thoracic Oncology“/privat