Eine neue Studie der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik belegt: Pflegekräfte in der Langzeitpflege erleben unterschiedliche Belastungen – je nachdem, ob sie in der stationären oder ambulanten Versorgung tätig sind. Diese Unterschiede wirken sich unmittelbar auf Burnout-Risiken und die Arbeitsfähigkeit aus. Die Studie „Demands, resources, burnout, and work ability in long-term care: A multi-group structural equation model comparing residential and home care” wurde im „International Journal of Nursing Studies” veröffentlicht, das einen Impact Faktor von 7,1 hat.
„Uns war es im Rahmen dieser Publikation wichtig, die einzelnen Befunde unserer verschiedenen Studien im Bereich der Pflege zusammenzuführen und so zu neuen Erkenntnissen beizutragen. Dass dieses integrative Vorgehen in so einer hochkarätigen Zeitschrift publiziert wurde, freut mich sehr und zeigt, dass nicht nur die Thematik gesellschaftlich relevant ist, sondern auch das methodische Vorgehen innovativ ist“, erläutert Prof. Dr. Filip Mess, Leiter der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik.
Unterschiedliche Anforderungen, unterschiedliche Auswirkungen
Pflegekräfte leisten einen entscheidenden Beitrag zur Gesundheitsversorgung, sind dabei aber selbst sehr hohen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt. In Deutschland gilt der Pflegeberuf als besonders beanspruchend, was man an überdurchschnittlich vielen Krankheitstagen und der hohen Fluktuation im Berufsleben ablesen kann.
Das aktuell veröffentlichte Paper basiert auf den Daten der Projekte „EMMA“ sowie „CaResource“. Auf Grundlage des Job-Demands-Resources-Modells (JD-R-Modell) untersuchten Dr. Doris Gebhard, Michael Herz und Dr. Simon Blaschke, alle wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik, die Zusammenhänge zwischen arbeitsbezogenen Belastungen („demands“), Ressourcen („resources“), Burnout-Dimensionen und der Arbeitsfähigkeit. Befragt wurden insgesamt 301 Pflegekräfte aus der stationären und ambulanten Langzeitpflege. Ziel war es, herauszufinden, ob und wie sich diese Zusammenhänge in den beiden Pflegesettings unterscheiden.
Belastungen führen zu Erschöpfung – Ressourcen wirken schützend
Die Ergebnisse zeigen ein klares Muster: hohe Belastungen – etwa emotionale Anforderungen, Rollenkonflikte oder Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – stehen in engem Zusammenhang mit emotionaler Erschöpfung, eine der zentralen Burnout-Dimensionen. Gleichzeitig wirken persönliche und organisationale Ressourcen, wie Sinnhaftigkeit der Arbeit oder Resilienz, positiv auf die psychische Gesundheit.
„In beiden Berufsgruppen zeigte sich, dass Belastungen die emotionale Erschöpfung erhöhen. Ressourcen hingegen stärken das Gefühl von persönlicher Wirksamkeit und schützen damit vor Burnout“, erklärt Michael Herz. Besonders auffallend: Der Zusammenhang zwischen Erschöpfung und Arbeitsfähigkeit unterschied sich deutlich zwischen den Settings. In der häuslichen Pflege war emotionale Erschöpfung stark negativ mit der Arbeitsfähigkeit verknüpft, in der stationären Pflege hingegen nicht.
Die Unterschiede zwischen stationärer und ambulanter Pflege lassen sich vor allem durch die Arbeitskontexte erklären. Während Pflegekräfte in der ambulanten Versorgung meist allein unterwegs sind und täglich herausfordernde Situationen im häuslichen Umfeld erleben, arbeiten Beschäftigte in stationären Einrichtungen stärker im Team und in klaren Strukturen. „Die Rahmenbedingungen beeinflussen, wie Belastungen erlebt und bewältigt werden. Pflegekräfte brauchen daher spezifische Unterstützungsangebote, je nach Setting“, erklärt Dr. Gebhard.
Ein zentrales Ergebnis der Studie: es gibt keine Einheitslösungen! Entsprechend wurden bereits erste Maßnahmen entwickelt – etwa zur Verbesserung der Kommunikationsstrukturen in der ambulanten Pflege oder zur Stärkung der Teamarbeit in stationären Einrichtungen durch Kooperationsübungen und Wertschätzungsformate.
Selbstpflege als Schlüsselressource
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sensibilisierung für die eigene Gesundheit. „Pflegekräfte kümmern sich den ganzen Tag um andere – aber selten um sich selbst“, so Gebhard. Maßnahmen zur Selbstpflege, etwa kurze Pausen, Achtsamkeitsübungen oder kleine Rituale zur Erholung, wurden daher als zentraler Bestandteil in beide Settings als Interventionen integriert.
„Wenn wir Pflegekräfte langfristig im Beruf halten wollen, müssen wir ihre Gesundheit gezielt fördern – und zwar dort, wo sie arbeiten“, so das Fazit des Forscherteams. „Die stationäre und die ambulante Pflege unterscheiden sich stark – und genau das sollte sich in unseren Gesundheitsprogrammen widerspiegeln“, sagt Herz.
Zur Homepage der Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Zur Studie: „Demands, resources, burnout, and work ability in long-term care: A multi-group structural equation model comparing residential and home care”
Kontakt
Prof. Dr. Filip Mess
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Dr. Doris Gebhard
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Am Olympiacampus 11
80809 München
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Dr. Simon Blaschke
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
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E-Mail: simon.blaschke(at)tum.de
Michael Herz
Professur für Sport- und Gesundheitsdidaktik
Am Olympiacampus 11
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Tel.: 089 289 24526
E-Mail: mi.herz(at)tum.de
Text: Bastian Daneyko
Fotos: Foto von Age Cymru auf Unsplash/Privat