Zum 1. März 2022 ist Prof. Dr. Matthias Richter dem Ruf der TUM auf den neuen Lehrstuhl für Social Determinants of Health gefolgt. Davor war er Inhaber der Professur für Medizinische Soziologie und Direktor des gleichnamigen Instituts an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität (MLU) Halle-Wittenberg.
Nach seinem Studium der Soziologie, Psychologie und Volkswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Bielefeld und anschließend an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. 2004 schloss er seine Promotion an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld ab. Von 2005 bis 2008 war er wissenschaftlicher Assistent und Geschäftsführer des WHO Collaborating Centre for Child and Adolescent Health Promotion an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Im Anschluss übernahm er dort die Vertretung der Professur für Prävention und Gesundheitsförderung. 2009 habilitierte er sich an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Von 2009 bis 2011 war er Assistenzprofessor für Medizinische Soziologie und Sozialepidemiologie am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern in der Schweiz, bevor er im März 2011 an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wechselte.
Prof. Richter war von 2006 bis 2012 Sprecher der Sektion Medizin- und Gesundheitssoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und ist seit 2014 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS). Von 2012 bis 2016 war Prof. Richter Sprecher des Profilzentrums Gesundheitswissenschaften an der MLU Halle-Wittenberg. Seit 2012 ist er zudem berufenes Mitglied im Fachausschuss „Versorgungsmaßnahmen und -forschung“ der Deutschen Krebshilfe. Seit 2019 ist er zudem Sprecher der DFG Forschungsgruppe FOR 2723.
Lieber Herr Prof. Richter, was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an die TUM zu wechseln?
„Mit der ausschlaggebende Grund war, dass dies die erste Professur für Social Determinants of Health in Deutschland überhaupt ist. Das war für mich natürlich sehr reizvoll. Da einer der Fakultätsschwerpunkte im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit liegt und dies auch ein Schwerpunkt der Professur sein soll, war für mich klar, dass ich mich darauf bewerbe und war froh, als ich den Ruf bekommen habe. Ein weiterer Aspekt war, dass ich in den Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld akademisch groß geworden bin und wieder in die Gesundheitswissenschaften zurückkehren konnte. Zudem finde ich interessant, dass unsere Fakultät mit der Fakultät für Medizin zusammengelegt wird. Ich kann somit das Beste aus beiden Welten kombinieren. Hier können sich insbesondere im Bereich Forschung und Lehre ganz neue Möglichkeiten ergeben.“
Was bedeutet Ihnen der Ruf an die TU München?
„Es ist eine tolle Auszeichnung, wenn man als Full Professor an eine Exzellenzuniversität berufen wird. Das bestärkt einen in dem, was man die letzten Jahre gemacht hat. Die TUM ist eine der führenden Universitäten in Deutschland und Europa, dementsprechend ist es eine Auszeichnung, aber gleichzeitig auch eine Chance, etwas Neues zu gestalten, gerade vor dem Hintergrund, dass die Fakultät in den letzten Jahren so gewachsen ist. Sich dort proaktiv einbringen zu können, ist eine tolle Gelegenheit, die man in dieser Form ganz selten bekommt. Zum anderen ist es für mich privat auch eine schöne neue Herausforderung. Ich bin im vergangenes Jahr 50 Jahre alt geworden und habe mir natürlich überlegt, was ich in den kommenden Jahren machen möchte. Ich erhoffe mir, dass sich ein neuer Lebensabschnitt daraus entwickelt. Es ist also sowohl beruflich als auch privat eine große Chance, die ich bekommen habe.“
Welchen Eindruck haben Sie bislang von der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften?
„Mich hat wirklich beeindruckt, wie problemlos und professionell alles bislang abgelaufen ist. Es war fantastisch, wie ich aufgenommen wurde. Ich konnte mich jederzeit an die Fakultät wenden. Insbesondere der familiäre Umgang und das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Fakultät haben mich beeindruckt. Mir gefällt besonders gut, dass auf das Thema Internationalität so viel Wert gelegt wird. Und zu guter Letzt habe ich sofort das Gefühl bekommen, dass sich alle auf die Fertigstellung des neuen Campus freuen. Die neuen Hörsäle und Seminarräume sind großartig.“
Worauf freuen Sie sich mit Blick auf Ihre Arbeit an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften am meisten?
„Ich freue mich total auf das Kennenlernen. Ich habe bislang viel mit dem Fakultätsmanagement zusammengearbeitet, was super funktioniert hat. Und nun möchte ich natürlich auch auf professoraler Ebene in den Austausch kommen. Ich habe schon mit verschiedenen Kolleg_innen sprechen können, diese Gespräche sind alle sehr positiv verlaufen. Schön wäre es natürlich, wenn man sich in naher Zukunft auch persönlich und nicht nur über Zoom-Konferenzen austauschen könnte und die Gelegenheit erhält, voneinander zu lernen. Ich freue mich zudem ganz besonders auf die Freiheiten in der Lehre, die in den Gesundheitswissenschaften größer sind als in der Medizin. Und zu guter Letzt freue ich mich darauf, mein Team aufzubauen, damit wir gemeinsam sowohl innerhalb des Lehrstuhls als auch zwischen den Lehrstühlen Forschungsprojekte initiieren können.“
Was werden Ihre Forschungs-Schwerpunkte an unserer Fakultät sein?
„Zwei große Schwerpunkte unter dem Dach der sozialen Determinanten der Gesundheit sind die Kinder- und Jugendgesundheitsforschung sowie die Forschung über gesundheitliche Ungleichheiten. Es geht hier um Bildung, Beruf, Einkommen, aber auch um Migration und Geschlecht als große Einflussfaktoren auf sozialer Ebene und wie diese auf die Gesundheit und die Gesundheitsversorgung wirken. Ein dritter Bereich ist die Stärkung der Präventions- und Versorgungsforschung an der Fakultät. Ich arbeite beispielsweise mit Frau Prof. Sundmacher in einer DFG-Forschungsgruppe zusammen, weshalb wir uns auch schon lange kennen. Es geht hier vor allem darum, im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung stärker anwendungsbezogene Forschung zu betreiben.“
Auf welche Themen werden Sie in der Lehre den Schwerpunkt setzen? Welche Lehrveranstaltungen wird Ihr Lehrstuhl anbieten?
„Wir starten pünktlich zum Vorlesungsbeginn im Sommersemester 2022 mit unserer Lehre. Der Bachelorstudiengang Gesundheitswissenschaft ist durch die Anwendung eines bio-(medizinisch)-psycho-sozialen Modells gekennzeichnet. Hier bedienen wir die soziale Sichtweise auf Gesundheit, also was beispielsweise soziale Einflüsse auf die Gesundheit und die Gesundheitsversorgung sind. Das wollen wir in den kommenden Semestern vertiefen und spezielle Themen aufgreifen, wie zum Beispiel Diversität und Intersektionalität, wir wollen aber auch die Prävention und Verhaltensprävention stärken. Nachdem die Fakultät einen starken Schwerpunkt auf Verhaltensprävention legt, möchten wir uns die Strukturen und Verhältnisse davon genauer ansehen. Ein anderes großes Gebiet befindet sich im Masterstudiengang. Unser Lehrstuhl zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sowohl quantitative als auch qualitative Forschung betrieben wird.“
Und noch eine letzte Frage: Treiben Sie selbst Sport? Und wenn ja, welchen?
„Ich gehe gerne laufen und mag auch das Bergwandern sehr. In München hat man natürlich deutlich mehr Möglichkeiten, wandern zu gehen, als das in Halle der Fall war.“
Vielen Dank für das Gespräch!
Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Richter
Lehrstuhl für Social Determinants of Health
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
E-Mail: richter.matthias(at)tum.de
Text/Interview: Romy Schwaiger
Foto: privat