Darmkrebs ist bei Frauen in Deutschland die zweithäufigste Krebserkrankung, bei Männern die dritthäufigste. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gab es im Jahr 2016 über 58.000 Neuerkrankungen (26.000 Frauen, 32.000 Männer). Zudem ist nachgewiesen, dass Verwandte ersten Grades von Patienten mit Darmkrebs selbst überdurchschnittlich häufig betroffen sind. Diesem Thema widmete sich nun eine Publikation in der Fachzeitschrift „Clinical Gastroenterology and Hepatology“ mit dem Titel „Prevalence of a First-Degree Relative with Colorectal Cancer and Uptake of Screening Among Persons 50 to 54 Years Old“, an welcher der Lehrstuhl für Epidemiologie von Ordinaria Prof. Dr. Stefanie Klug beteiligt ist. Das Journal hat einen Impact Factor von 7,958.
Für die Querschnittstudie, die von 2015 bis 2016 an mehreren Standorten in Deutschland (u. a. München, Dresden und Stuttgart) durchgeführt wurde, wurden über das Einwohnermeldeamt insgesamt 160.000 Personen im Alter von 40 bis 54 Jahren zufällig ausgewählt und angeschrieben. Insgesamt rund 29.000 Personen beantworteten den Fragebogen, der online oder als Paper-and-Pencil ausgefüllt wurde. Ziel war es, anhand der Daten die Prävalenz eines Verwandten ersten Grades mit Darmkrebs zu ermitteln. „Unter den 29.000 Teilnehmer_innen gaben 9,4 Prozent an, eine Person im direkten Familienumfeld zu haben, die an Darmkrebs erkrankt ist“, erklärt Prof. Stefanie Klug. „Zudem hat bei den Probanden die Prävalenz einer Darmkrebserkrankung in der Verwandtschaft mit dem Alter zugenommen.“
Im zweiten Schritt wurde anhand der Daten untersucht, welche Personen, die aufgrund der direkten Verwandtschaft zur Risikogruppe einer Darmkrebserkrankung gehören, sich bereits einer Darmspiegelung unterzogen haben. Mit 54,5 Prozent lag der Anteil der Personen in der Risikogruppe höher als der ohne Erkrankung innerhalb der Familie. Trotzdem wären laut Prof. Klug viele Personen nach wie vor nicht unbedingt gewillt, sich einer Darmspiegelung zu unterziehen. „Gerade bei älteren Menschen kann das jedoch fatal sein, da sie durchaus ein höheres Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken“, so die Leiterin des Lehrstuhls für Epidemiologie. „Aus diesem Grund hoffen wir, dass die Ergebnisse die deutsche Bevölkerung ein wenig aufrütteln und veranlassen, zum Screening zu gehen.“
Seit Oktober 2002 gibt es ein gesetzliches Früherkennungsprogramm, das ab dem 50. Lebensjahr einen Test auf verstecktes Blut im Stuhl (Hämoccult-Test) anbietet. Seit 2019 wird in Deutschland ein organisiertes Darmkrebs-Screening-Programm angeboten, berechtigte Personen werden von ihrer Krankenkasse dazu eingeladen. Zudem haben Männer ab einem Alter von 50 Jahren sowie Frauen ab 55 Jahren einen Anspruch auf eine Darmspiegelung zur Früherkennung. „Deutschlandweit nehmen jedoch nur zehn bis elf Prozent der Berechtigten am Screening teil, da eine Koloskopie durchaus aufwendig ist und von vielen Menschen als unangenehm empfunden wird“, so Klug.
Die Epidemiologin rät jedoch, sich an die bestehenden Empfehlungen des Screening-Programms zu halten. Grundsätzlich sollte mehr auf das Risiko einer Darmkrebserkrankung hingewiesen werden und auch das risikoadaptierte Screening für jüngere Menschen bekannter gemacht werden. Hier sieht Prof. Klug die Politik sowie das Gesundheitswesen mit den Allgemeinmedizinern und Hausärzten in der Pflicht.
Zur Veröffentlichung im Journal "Clinical Gastroenterology and Hepatology"
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Kontakt:
Prof. Dr. Stefanie Klug
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle-Ring 56
80992 München
Telefon: 089 289 24950
E-Mail: sekretariat.klug(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: „Clinical Gastroenterology and Hepatology“/Lehrstuhl für Epidemiologie