Skeleton ist eine der spektakulärsten olympischen Wintersportarten. Mit dem Kopf voraus und Geschwindigkeiten von bis zu 150 Kilometern pro Stunde jagen die Athlet_innen nur wenige Zentimeter über dem Eis die Bahn hinunter. Fliehkräfte bis zum Fünffachen der Schwerkraft wirken in den Kurven auf Mensch und Material.
Als beste deutsche Teilnehmerin wurde Anja Huber bei den Olympischen Spielen in Sotschi Achte. Dabei startete sie auf einem Schlitten, der in möglichen Teilbereichen an der TU München optimiert wurde. Im Rahmen eines Drittmittelprojekts ihres Partners Red Bull gaben das Fachgebiet Sportgeräte und -materialien der TUM zusammen mit Hubers langjährigem Techniker Wolfram Schweizer dem Sportgerät den letzten Schliff. "Wir haben den Schlitten im Bereich der Ergonomie der Liegeschale genau auf Anja Huber zugeschnitten und außerdem die Haltung auf dem Schlitten bezüglich der Aerodynamik optimiert", erklärt Prof. Veit Senner, Extraordinarius des Fachgebiets Sportgeräte und -materialien und Zweitmitglied an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft.
Ergonomischer Schaum, rutschsichere Beschichtung
Im Spitzensport bewegen sich Athleten und Material am absoluten Limit. Zusammen mit dem strengen Regelwerk ergeben sich nur minimale Spielräume für Verbesserungen. "Unser erster Schritt war daher, das Reglement sehr genau zu studieren", sagt Ilja Feldstein, Doktorand am Lehrstuhl für Ergonomie. Dann nahmen die Wissenschaftler Maß. Sowohl von der Athletin als auch vom bisherigen Schlitten fertigten sie auf Basis von Scan-Daten exakte 3D-Modelle an.
Zusammen mit Mitarbeitenden der FluiDyna GmbH, einer Ausgründung des Lehrstuhls für Aerodynamik und Strömungsmechanik der TU München, konstruierten sie am Computer das virtuelle Modell eines Eiskanals. "In unserem Bereich arbeiten wir kaum noch mit einem Windkanal, weil es Menschen schlicht nicht möglich ist, lange genug stillzuhalten. Deswegen scannen wir den Körper ab und benutzen die numerische Computersimulation", erläutert Prof. Senner. Im virtuellen Fahrtwind konnten alle denkbaren Variationen und Anpassungen durchgespielt werden. Die Wissenschaftler konzentrierten sich dabei vor allem auf die optimale Anpassung der Liegeschale an den Körper der Athletin. Ziel war es, mit einem günstigen Strömungsverlauf um Schlitten und Sportlerin den Luftwiderstand möglichst gering zu halten. Denn vor allem Verwirbelungen an Kanten und Übergängen kosten Energie und damit Tempo. Am neuen Schlitten von Anja Huber besteht die Auflage aus einem Schaum, der per Unterdruck an ihren Körper angepasst wurde. So gibt es kaum noch Spalten zwischen Sportlerin und Gerät. Außerdem wurde eine spezielle Beschichtung entwickelt, die Anja Huber während der Fahrt absolut rutschsicher hält.
Beste Deutsche, achter Platz
Der Erfolg: Von den deutschen Athletinnen war Huber die Schnellste - und ein guter achter Platz in Sotschi. "Das ist schon sehr bemerkenswert. Anja Huber hat durch ihren Körperbau sportwissenschaftlich gesehen nicht die besten Voraussetzungen für Skeleton, weil sie eine der leichtesten Athletinnen ist", sagt Senner über die zweifache Weltmeisterin von 2008. Früher habe Huber diese Nachteile durch ihre Schnelligkeit am Start kompensieren können, mit zunehmendem Alter werde dies schwerer. "Zudem haben uns die anderen Nationen in Bezug auf den Start überholt. Im Vergleich zur Konkurrenz war ihr Schlitten trotzdem sehr schnell, das wissen wir", sagt Senner, der sich über den achten Platz sehr freut. Zwar sei das Ziel natürlich immer eine Medaille, möglichst in Gold, "aber das Material liefert dazu eben nur einen - wenn auch wichtigen - Teilbeitrag", so Senner. Am Ende zählen eben doch vor allem der Athlet oder die Athletin - und im Skeleton auch die Erfahrung mit der Strecke.
Das TV-Magazin "Galileo" hat die Entwicklung des Schlittens in der Sendung vom 5. Februar 2014 thematisiert. Auf der Homepage von ProSieben können Sie den Beitrag ansehen.
Zur Homepage des Fachgebiets Sportgeräte und -materialien
Der Galileo Beitrag auf ProSieben.de
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