Sie ist aus den Annalen der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften nicht wegzudenken und hat die sportwissenschaftliche Ausbildung über Jahrzehnte geprägt – als Leiterin der Sportphilologinnen an der Bayerischen Sportakademie mit über 30 Semesterwochenstunden in Theorie und Praxis sowie als stellvertretende Leiterin und später als Leiterin der Abteilung Sportlehrerausbildung an der TUM. Zudem war sie Leiterin des Fachgebiets Gymnastik, Tanz, Musik und Bewegung. Auch durch die Stiftung des Preises für die besten sportwissenschaftlichen Abschlussarbeiten der Fakultät, der seit 25 Jahren im Rahmen der Absolvia-Feier vergeben wird, ist ihr Name allen Mitarbeitenden und Studierenden ein Begriff. Die Rede ist natürlich von Dr. Gertrude Krombholz. Am 13. Juli 2023 feiert die Sportlehrerin und Sportwissenschaftlerin ihren 90. Geburtstag, zu dem ihr die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft ganz herzlich gratuliert. Happy Birthday, liebe „Krombine“!
Über ihr Leben sowie sportliches Wirken wurden eine Vielzahl an TV-Beiträgen, Zeitungs- und Zeitschriftenberichte und Aufsätze in Sammelbänden verfasst. Nicht zuletzt wurde sie von Dr. Martin Pabst im Band III „Alumni der TUM. Prägende Gestalter aus der Technischen Universität München“ porträtiert. International bekannt wurde sie durch die Erfindung des integrativen Rollstuhltanzes, den sie 1973 im Rahmen einer Choreographie entwickelte. Die neue Disziplin machte sie im Laufe der Jahrzehnte weltweit bekannt und sie besuchte im Zuge dessen über 40 Länder. 2002 wurde sie zum „Member of the Paralympic Order“ ernannt, womit sie zur „Paralympic Family“ gehört. In ihrer Funktion war sie seit 1984 bei 16 Paralympischen Spielen im Einsatz und übernahm oft auch die Siegerehrungen vor Ort, zuletzt im Jahr 2018 bei den Paralympischen Spielen in Pyeonchang/Südkorea.
Anfang der 1970er Jahre absolvierte Dr. Krombholz in Nürnberg die Ausbildung zur Tanzlehrerin neben ihrer beruflichen Tätigkeit. Damals war sie die einzige Tanzlehrerin des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbands (ADTV) an einer deutschen Universität. Im Rahmen der Olympischen Spiele 1972 in München, 1976 in Innsbruck und 1980 in Lake Placid/USA war sie als Chefhostess und Mitchoreografin für die Eröffnungsfeiern und im Zeremonienbereich im Einsatz.
Im Jahr 1981 schloss die Leitende Akademische Direktorin und ehemalige Leiterin der Abteilung Sportlehrerausbildung der TUM ihre Promotion zum Thema „Die Entwicklung des Schulsports und der Sportlehrerausbildung in Bayern von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges“ mit summa cum laude ab. Dr. Krombholz erhielt dafür den Förderpreis der Freunde der TUM für die besten Promotionsarbeiten im Jahr 1982. Die Doktorarbeit bestand aus insgesamt 3.584 Seiten. Die Veröffentlichung der Dissertation als Teil der Neuen Schriftenreihe des Stadtarchivs München wurde auf 617 Seiten gekürzt.
Für ihr Lebenswerk wurde Dr. Krombholz unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande (1991), dem Goldenen Ehrenring der TUM (1997), dem Bayerischen Verdienstorden (1998), der Goldenen Ehrennadel der TUM (1998), der Ehrenplakette des Deutschen Behinderten-Sportverbands (2002) und dem Goldenen Ehrenring der Landeshauptstadt München (2007) ausgezeichnet. Zudem erhielt sie 2002 für die Erfindung des Rollstuhltanzes den Bayerischen Sportpreis in der Kategorie „Innovation im Sport“.
Zum Geburtstags-Interview lud „Bewegungsmensch“ Dr. Krombholz nach Dießen am Ammersee ein, wo sie seit 2006 in der Seniorenresidenz Augustinum lebt. Dort führte sie im Jahr 2012 den Rollator-Tanz ein, den sie nach wie vor alle zwei Wochen mit den Bewohner_innen im Rahmen einer Tanzstunde im Wintergarten im achten Stock des Augustinums übt. Im vergangenen Jahr feierte sie mit der Tanzgruppe zehnjähriges Jubiläum.
Liebe Frau Dr. Krombholz, die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften gratuliert Ihnen ganz herzlich zu Ihrem 90. Geburtstag. Wie geht es Ihnen?
Dr. Gertrude Krombholz: „Ich habe das noch gar nicht so richtig registriert, dass ich schon 90 Jahre alt sein soll. Wenn ich meinen Schreibtisch und meinen Computer ansehe und alles, was es da zu erledigen gibt, dann kann ich das gar nicht glauben und fühle mich immer noch 20 Jahre zurückversetzt. Man sollte auf jeden Fall mit dem zufrieden sein, was einem täglich geboten wird und dem Herrgott dankbar sein, dass man das noch so erleben darf.“
Sie feiern 90. Geburtstag und auch die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften darf sich über ein Jubiläum freuen…
Dr. Gertrude Krombholz: „Wir feiern in diesem Jahr 50 Jahre Sport an der TUM! Im Jahr 1973 wurden die Bayerische Sportakademie und das Hochschulinstitut für Leibesübungen als Sportzentrum und Zentralinstitut für Sportwissenschaft in die TUM überführt. Und wir feiern sogar 150 Jahre Turnlehrerausbildung in München, nachdem 1872 die Königliche Zentralturnlehrerbildungsanstalt gegründet und im Jahr 1873 die erste anerkannte Prüfung für Turnlehrer durchgeführt wurde. Insgeheim sind wir sogar älter als die TUM selbst, nachdem bereits 1828 die Königliche Öffentliche Turnanstalt an der Universität München gegründet wurde. Hier können wir dann in fünf Jahren bereits 200-jähriges Jubiläum feiern.“
Sie sind auch mit Ihren 90 Jahren noch gesund und munter. Was ist Ihr Geheimnis?
Dr. Gertrude Krombholz: „Mit dem Leben hier im Augustinum mit all seinen Facetten, die das Heim bietet, kann man schon alt werden. Ich war heute früh schon eine Dreiviertelstunde im Schwimmbad und gehe zum Aquajogging, weil das für mich eine der besten Bewegungsübungen ist. Es war schade, dass es durch die Corona-Zeit fast zwei Jahre lang einen Stillstand gab. Aber es gibt hier ein Bewegungsbecken. Das kostet zwar etwas, das habe ich mir in der Zeit aber gegönnt. Und ich lege sehr, sehr viel Wert auf die tägliche Bewegungszeit. Das möchte ich auch allen lieben Freunden und Bekannten mitgeben: Schaut, dass Ihr Euch täglich in irgendeiner Weise bewegt! So wie mein Leben bewegt war.“
Warum haben Sie sich dazu entschieden, in die Seniorenresidenz Augustinum in Dießen am Ammersee zu ziehen?
Dr. Gertrude Krombholz: „Dafür war eine Schülergruppe verantwortlich, die ich in Marquartstein zuerst als Referendarin und dann später als junge Studienrätin in Chemie unterrichtet habe. Das war meine Lieblingsklasse, die ich auch als Betreuungsklasse hatte. Als diese Gruppierung im Jahr 2002 ihr 40-jähriges Abitur-Jubiläum gefeiert hat, war ich eingeladen und einer meiner ehemaligen Schüler war zu der Zeit Direktor des Augustinums am Ammersee. Seine Frau hat mir geraten, mich bei Interesse sofort dort anzumelden, da es eine Wartezeit von zehn Jahren gebe. 14 Tage später bin ich hierher gefahren und habe einen Vorvertrag ausgefüllt. 2006 hatte ich einen Unfall in meiner Wohnung in Nymphenburg und konnte ab dann nicht mehr alleine dort leben. Im Schwabinger Krankenhaus kam mir dann die Idee, sofort nach Dießen zu ziehen. Nach einem Telefonat hat das zum Glück auch gleich funktioniert und so bin ich schließlich hier gelandet.“
Sie haben 1973 den Rollstuhltanz erfunden und 2012 im Augustinum den Rollator-Tanz eingeführt. Wie sind Sie auf solche Ideen gekommen?
Dr. Gertrude Krombholz: „Das waren immer spontane Ideen. Im Vorfeld zum Rollator-Tanz war hier im Augustinum eine gesellige Veranstaltung, bei der auch getanzt wurde. Da wurde ein Tango aufgelegt und eine Dame mit Rollator, die lange Zeit in Argentinien gelebt hat, ist auf einmal aufgesprungen und hat mit ihrem Rollator getanzt. Und ich habe mir gedacht: Das ist ja toll! Da könnten wir wirklich mit dem Rollator tanzen! Das war der Start der Tanzgruppe. Ich habe dann alle Damen und Herren mit Rollator registriert. Es sind zwar nicht alle gekommen, aber der Großteil war mit dabei, etliche bereits über 90 Jahre.“
Im Rahmen von Aufführungen bei Sport- und Tanzveranstaltungen haben Sie im Laufe der Jahrzehnte viele Länder bereist. Welche haben Ihnen dabei besonders gut gefallen?
Dr. Gertrude Krombholz: „Man muss zwischen den Menschen unterscheiden, die dort leben, und den Ländern, die einem kulturell und landschaftlich viel geben. Vom Enthusiasmus und der Begeisterungsfähigkeit hat mich ein Menschenschlag am meisten beeindruckt – die Argentinier! Sie zeichnen sich vor allem durch Herzlichkeit, Verbundenheit und eine nie enden wollende Begeisterungsfähigkeit aus. Das liegt mit Sicherheit auch am südländischen Temperament. Das Land, das mich kulturell am meisten fasziniert hat, ist Kambodscha. Allerdings habe ich Kambodscha 1967 miterlebt, als der Krieg noch nicht ausgebrochen war. Ich musste mir damals noch ein Visum in Thailand holen und bin mit dem einheimischen Bus durch das Land gefahren. Ich habe es noch im ursprünglichen und urwüchsigen Zustand kennengelernt – ohne Tourismus. Ich weiß nicht, wie es heute dort aussieht, wenn eine Touristengruppe nach der anderen durchgeschleust wird.“
Was ist Ihnen von all den Reisen am meisten in Erinnerung geblieben?
Dr. Gertrude Krombholz: „Das Schöne ist, dass ich überall Freunde gefunden habe, vor allem in Asien. In Japan, Hongkong, Malaysia, Philippinen oder auch Singapur wurde sehr intensiv und gezielt getanzt. Ich habe auch dort noch Freunde, die ich mir bis heute erhalten konnte. Auch zu den Osteuropäern hatte ich immer einen herzlichen Kontakt. Ich habe dort auch unwahrscheinlich viel Gastfreundschaft erlebt. Das darf man nicht vergessen. Das sind Menschen wie du und ich. Man hat dort geholfen, wo Hilfe notwendig war. Etliche davon waren auch hier in Dießen zu Gast, unter anderem Menschen aus Weißrussland oder Japan. Corona hat aber natürlich viele Lücken gerissen.“
Wie haben Sie die Corona-Zeit im Augustinum erlebt?
Dr. Gertrude Krombholz: „Wir haben es ganz gut überstanden. Es wurden Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die in so einem Haus natürlich gemacht werden mussten. Das ist auch sehr einheitlich verfolgt worden. Man hat eingesehen, dass man sich dranhalten muss. Ich bin selbst Gott sei Dank bislang verschont geblieben.“
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!
Text: Romy Schwaiger
Fotos: Dr. Gertrude Krombholz