Ein Team des Lehrstuhls für Trainingswissenschaft und Sportinformatik von Ordinarius Prof. Dr. Martin Lames hat Anfang Oktober eine Validierungs-Studie zu Positionserfassungsmethoden der Sportspielanalyse durchgeführt. "Im Rahmen der Studie haben wir erstmals sieben verschiedene Systeme gleichzeitig getestet und können nun deren unterschiedliche Präzision bestimmen. Und wir haben neue Standards entwickelt, die sich in unserer Disziplin als Benchmark durchsetzen könnten", erläutert Prof. Lames.
Internationale Ausschreibung
Ausgangspunkt war eine Ausschreibung des Unternehmens Prozone, einer der weltweit führenden Anbieter für positionsbasierte Daten von Sportspielen. Im Sommer wurde das britische Unternehmen durch den US-Konzern STATS übernommen. Da Prozone und STATS unterschiedliche Systeme einsetzen - und zwar sowohl Video- als auch GPS-basierte -, sollte eine Validierung durchgeführt werden. Bei der internationalen Ausschreibung setzte sich der Lehrstuhl von Prof. Lames durch.
Insgesamt wurden drei Video-basierte, drei GPS-basierte sowie ein Radar-basiertes System getestet. "Das ist eine weltweit einmalige Zusammenstellung", sagt Lames. Versuchsort war das Augsburger Rosenaustadion, das sich durch die offene Architektur gut für GPS-Messungen eignet. Zur Validierung wurden die Video-, Radar- und GPS-basierten Anwendungen zum einen mit einer Laser-Messung zum anderen mit einer Infrarot-Messung verglichen, die als "Goldstandard" dienten. "Die beiden Vergleichssysteme weisen eine Präzision im Subzentimeter-Bereich auf", erklärt Daniel Linke, der das Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter betreute.
Test-Batterie mit Shuttle-Run, Fünf-gegen-Fünf sowie Testspiel
Die vom Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik neu entwickelte Test-Batterie beinhaltete drei verschiedene Messungen. Zunächst wurde ein Shuttle-Run, der einen Wechsel aus Antritt und Abbremsungen beinhaltet, durchgeführt. Sprinter hierfür kamen von der Universität Augsburg. Als Goldstandard für die Validierung der Messpräzision diente dabei die Laser-Entfernungsmessung. Der zweite Test umfasste ein Spiel Fünf-gegen-Fünf auf einem 30x30 Meter großen Feld. "Die Radarmessung ist zwar sehr präzise, aber nur für geradlinige Bewegungen geeignet und konnte daher für das Spiel nicht verwendet werden", so Linke.
Die Lösung: Das Infrarot-System Vicon. Dafür werden Proband_innen an verschiedenen Körperpunkten mit Markern beklebt, die die Infrarot-Strahlung reflektieren. Doch die Messung im offenen Stadion war nicht unproblematisch. "Vicon wird eigentlich nur in Labors genutzt. Weil die Kameras beispielsweise nicht bei Sonnenlicht eingesetzt werden können, da dies auch Infrarot-Strahlung beinhaltet. Auch Regentropfen können Strahlen reflektieren und so zu Verfälschungen führen", sagt Linke.
Prof. Lames: "Pionierleistung der Spielbeobachtung"
Für die Messung wurden um das 30x30 Meter Feld drei Vicon-Systeme mit insgesamt 30 Kameras aufgebaut und zusammengeschaltet. "Das war eine Pionierleistung. Zur Spielbeobachtung wurde ein solcher Aufwand noch nie betrieben. Allein die Kalibrierung der Anlagen hat rund fünf Stunden gedauert", erläutert Lames. Die 30 Kameras stammten neben dem Material des Lehrstuhls von der Professur für Biomechanik im Sport (Prof. Dr. Ansgar Schwirtz), dem Lehrstuhl für Ergonomie (Prof. Dr. Veit Senner) sowie dem Lehr- Lernzentrum.
Eine abschließende dritte Messung beinhaltete ein Trainingsspiel zwischen der U19 des FC Augsburg und jener der Spielvereinigung Unterhaching. Die Datenerhebung hierbei erfolgte ohne die beiden Goldstandards, denn mit Vicon ein komplettes Fußballfeld abzudecken, ist gegenwärtig noch nicht möglich. "Wir können aufgrund der Erfahrungen aus dem Fünf-gegen-Fünf allerdings die Ungenauigkeit extrapolieren", erklärt Lames.
Testbatterie und -aufbau als internationale Benchmark
In den kommenden Monaten werden die Daten nun ausgewertet und die unterschiedlichen Systeme verglichen. Dann sollen hierzu auch Publikationen folgen. Lames ist sich sicher, dass sich "Testbatterie und Testaufbau in unserer Disziplin als Benchmark durchsetzen werden." Der Leiter des Lehrstuhls für Trainingswissenschaft und Sportinformatik rechnet zudem mit weiteren Aufträgen zur Validierung von Systemen.
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Prof. Dr. Martin Lames
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Uptwon München, Campus D
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
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E-Mail: Martin.Lames(at)tum.de
Daniel Linke
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Uptwon München, Campus D
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E-Mail: Daniel.Linke(at)tum.de
Text: Fabian Kautz
Fotos: Prof. Dr. Martin Lames/Thomas Blobel