Prof. Dr. Jürgen Beckmann hat im Rahmen der Jahrestagung der "British Psychological Society Division Sport and Exercise" am 12. Dezember in Cardiff einen Vortrag gehalten. Dabei präsentierte der Ordinarius des Lehrstuhls für Sportpsychologie empirische Ergebnisse zu "Psychologischen Problemen im Nachwuchsleistungssport". Neben großem Interesse im Auditorium erzeugte Prof. Beckmanns Vortrag auch ein nachhaltiges publizistisches Echo. So erstellte die renommierte Tageszeitung "Guardian" einen ausführlichen Beitrag, zudem ist ein Gespräch mit der "Times" noch geplant.
"Ich freue mich, dass wir durch die Veröffentlichung in verschiedenen Medien mit unseren Forschungsergebnissen eine noch größere Reichweite realisieren können. Denn gerade in dieser Thematik hat es eine große Bedeutung, zunächst einmal für Probleme zu sensibilisieren", erklärt Beckmann.
Burnout und Depression: Bereits Nachwuchs-Leistungssportler_innen betroffen
Denn: Burnout und Depression sind Risiken, die bereits Nachwuchsleistungs-Sportlern drohen. Das konnten Insa Nixdorf und Raffael Frank, die die Forschung in diesem Schwerpunkt des Lehrstuhls für Sportpsychologie vorantreiben, in mehreren durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) geförderten Studien nachweisen, und dabei Faktoren ermitteln, die dies begünstigen. So sind beispielsweise Einzelsportler stärker betroffen als Mannschaftssportler (ausführliche Informationen hierzu im Artikel des Guardian).
"In der Nachwuchsarbeit ist es wichtig, sehr stark präventiv zu arbeiten. Es müssen Verhältnisse geschaffen werden, die den Kindern eine gute Entwicklung ermöglichen, sodass sie gar nicht erst in problematische Situationen kommen", erklärt Beckmann. Die Herausforderung in der Jugendarbeit besteht vor allem in den kritischen Phasen, wie etwa der Pubertät oder dem Übergang von leistungsorientiertem Sport zu Leistungssport mit deutlich erhöhten Beanspruchungen. "Junge Athleten müssen sich zum einen permanent behaupten, sehr fokussiert sein und sich gleichzeitig mit der Frage auseinandersetzen: ,Wie geht es mit mir weiter'", analysiert Beckmann.
Life Coaching als Prävention
Der Ordinarius des Lehrstuhls für Sportpsychologie hat ein "Life Coaching" formuliert, bei dem gezielt die Persönlichkeit entwickelt und darauf geachtet wird, neben dem Sport ein zweites Standbein aufzubauen. Große Bedeutung hat zudem die soziale Unterstützung, etwa durch die Familie und Freunde.
Als Zusatzangebot aus dem BISp-Projekt erstellten Nixdorf und Frank eine Informationsplattform für Nachwuchssportler_innen. Unter www.nachwuxathleten.de wird ein Selbsttest angeboten, Strategien erläutert und wichtige Ansprechpartner_innen benannt.
Key-Note in Palermo zu "Choking under Pressure"
Bereits Anfang Dezember hielt Beckmann einen weiteren internationalen Key-Note-Vortrag. Auf Einladung der Università degli Studi di Palermo - einer Partneruniversität der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften - referierte Beckmann zu "Choking under Pressure", dem Versagen in sportlichen Drucksituationen. Rund 400 Personen nahmen an der Veranstaltung teil, neben Wissenschaftler_innen und Studierenden auch Vertreter_innen der Lokalregierung sowie Lokalpolitiker_innen.
Drucksituationen sind fester Bestandteil des Sports: vom Elfmeter in einem Finale über den Freiwurf in der letzten Spielminute bis hin zum letzten Schießen als Führende_r eines Biathlon-Rennens. Doch diese werden längst nicht immer gemeistert.
"Es gibt drei verschiedene Arten, wie Sportler unter Druck reagieren. Zunächst jene Sportler, die nicht vulnerabel sind, dann Sportler, bei denen Druck sogar zu einer Leistungssteigerung führt und dann eben Sportler, die unter Druck nicht ihre optimale Leistung ausschöpfen können", erklärt Beckmann. Letzteres beruht auf der Angst, zu versagen. "Diese Sportler denken dann darüber nach, was passiert, wenn sie in dieser Situation Fehler machen. Zum Beispiel: ,Fliege ich aus dem Kader?', ,Verliere ich meine Förderung?' Dabei ist dies für die eigentliche Ausführung, beispielsweise eines Elfmeters, zunächst völlig irrelevant", sagt Beckmann. Die Folge: Ein Selbstfokus, der zu einer Störung der Bewegungsausführung führt, die dann im Sport das Versagen bedeutet. Der Elfmeter fliegt über das Tor, der Freiwurf an den Korbring, der Schuss landet neben der Scheibe.
Embodied Interventions gegen Drucksituationen
Möglichkeiten, dies zu verhindern, bestehen durch Embodied Interventions. "Diese Interventionen werden über den eigenen Körper ausgeführt. Ein sehr effektives und gleichzeitig einfaches Beispiel dafür ist das Ballen der linken Hand zur Faust", so Beckmann. Denn durch diese Bewegung wird zunächst der motorische Kortex in der rechten Gehirnhälfte aktiviert. Eine sich ausbreitende Aktivierung wird dann jedoch durch Beruhigung gestoppt , eine Art "Reset Effekt für das Gehirn", durch den auch der beeinträchtigende Selbstfokus beseitigt wird, veranschaulicht der Professor für Sportpsychologie.
Die Wirksamkeit solcher Interventionen konnte der Lehrstuhl für Sportpsychologie von Beckmann bereits in rund 20 Studien, die teilweise bereits international publiziert sind, nachweisen, zuletzt am Beispiel von Tennis-Aufschlägen, deren Präzision sich hierbei signifikant verbesserte. Eine entsprechende Publikation ist in Vorbereitung. Ergebnisse der verschiedenen Studien fasste Beckmann nun für seinen Vortrag in Palermo zusammen.
Zum Artikel der Zeitung Guardian
Die Informationsplattform Nachwuxsathleten
Zur Homepage des Lehrstuhls für Sportpsychologie
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Beckmann
Lehrstuhl für Sportpsychologie
Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften
Uptown München, Campus D
Georg-Brauchle Ring 60-62
80992 München
Telefon: 089 289 24541
E-Mail: info.sportpsychologie(at)tum.de
Text: Fabian Kautz
Foto: TUM