Covid-HL: Schools
Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Schule und Bildung
Die aktuelle Corona-Pandemie ist für alle Lebens- und Arbeitsbereiche mit tiefgreifenden Veränderungen und Anpassungsbedarfen verbunden. Infolge der Schulschließungen ist der Bildungsbereich in besonderer und mehrfacher Weise betroffen. Zum einen führen Schulschließungen für Kinder und Jugendliche zu einem Entzug einer für sie zentralen Entwicklungs-, Interaktions- und Sozialisationsinstanz. Die Umstellung von Präsenzunterricht auf Onlineunterricht birgt ein nicht unerhebliches Risiko, dass diejenigen Heranwachsenden, die aufgrund ihrer Lebenslage und ihrer sozialen Herkunft nur über eingeschränkte Voraussetzungen des onlinebezogenen Lernens im häuslichen Kontext verfügen, geringere Bildungschancen entfalten können. Hierdurch können sich bestehenden Ungleichheiten verstärken.
Zugleich weisen Forschungsbefunde darauf hin, dass Schulschließungen mit zahlreichen Gesundheitsrisiken und negativen Gesundheitsfolgen verbunden sind. Dabei fokussiert die aktuelle wissenschaftliche Diskussion vor allem auf Kinder und Jugendliche (Hoffmann & Miller, 2020; Lee, 2020; Poletti & Raballo, 2020; Rundle et al., 2020; Tang et al., 2021), während vergleichsweise wenig Erkenntnisse zum Schulpersonal vorliegen (Košir et al., 2020; MacIntyre et al., 2020). Dies ist insofern überraschend, als dass Lehrkräfte infolge der coronabedingten Umstellung des Lehrmodus, aber auch durch den Umgang mit weiteren Restriktionen im Schulbetrieb zahlreichen Anforderungen und Belastungen ausgesetzt sind, die mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit negativer gesundheitlicher Beeinträchtigungen einhergehen. Eine noch geringere Aufmerksamkeit erlangen in der aktuellen Diskussion Schulleitungen, die für alle die Schule betreffenden Belange verantwortlich sind und daher im Zuge der coronabedingten Restriktionen besonders viele Herausforderungen zu bewältigen haben und dadurch auch hohen Anforderungen ausgesetzt sind. Dabei zeigen Forschungsbefunde jenseits der aktuellen Corona-Pandemie bereits, dass Schulleitungen von hohen arbeitsbedingten Belastungen berichten und im Vergleich zu anderen Berufsgruppen häufiger von psychischen und physischen Beanspruchungen betroffen sind (Dadaczynski, Paulus & Horstmann, 2020; Phillips et al., 2008). Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Zusammenhangs von Gesundheit des Schulpersonals und der Unterrichts- und Schulqualität (Klusmann et al., 2016) zielt der COVID-HL Schulsurvey auf die Belastungen und Gesundheit von Schulleitungen bzw. Mitgliedern der Schulleitung (z. B. stellvertretende Schulleitung).
Quelle: Skalendokumentation des Covid-HL School Surveys (s. unten)
Folgen der Corona-Pandemie für das Schulsystem
Die Corona-Pandemie stellt für das Schulsystem in Deutschland seit Anbeginn eine beispiellose und extreme Herausforderung dar. Bereits am 13. März 2020 entschieden sich alle Kultusministerien der Bundesländer zu coronabedingten Schulschließungen. Es folgte die Einrichtung einer Notbetreuung für Kinder aus systemrelevanten Berufen und die Umstellung von Präsenzunterricht auf digitalen Fernunterricht im Rahmen von Homeschooling. Eine schrittweise Öffnung des Schulbetriebs erfolgte ab Ende April 2020 unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften und Abstandsregeln. Entzerrte und verkleinerte Klassen und Wechselunterricht führten zu verschiedenen Lehrmodi von Präsenz- und Fernunterricht.
Zugleich wurde infolge des sich abzeichnenden digitalen Aufholbedarfs der bestehende Digitalpakt Schule für die Anschaffung von digitalen Endgeräten für Schülerinnen und Schüler sowie von Online-Lerninhalten für die Schule um 500 Millionen Euro aufgestockt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schulen jedoch infrastrukturell und personell nicht hinreichend aufgestellt, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit Digitalisierung und insbesondere dem digitalen Fernunterricht angemessen zu bewältigen. Neben solchen und anderen bereits bestehenden Belastungen verschärfte sich der Lehrkräftemangel aufgrund der ausgesetzten Präsenzpflicht für Lehrkräfte, die u. a. aufgrund des Alters oder bestimmter Vorerkrankungen zur Risikogruppe für schwere COVID-19-Verläufe gehören. Während der Start des neuen Schuljahres 2020 unter neuen, verschärften Hygienevorgaben erfolgte, führten steigende Infektionszahlen im Herbst 2020 zu einer erneuten Schließung zahlreicher Schulen. Infolge des im Dezember 2020 beschlossenen „Lockdowns“ wurden Schulen im gesamten Bundesgebiet geschlossen und der Unterricht abermals auf Fernunterricht und Distanzlernen umgestellt. Insgesamt ließen sich nicht nur auf Länderebene deutliche Regelungsunterschiede feststellen, sondern auch auf regionaler Ebene. Somit sind bereits bestehende auf neue, coronabedingte Problematiken gestoßen, die in ihrer Kumulation zu einer großen Belastung für den gesamten Bildungssektor beigetragen haben.
Quelle: Abschlussbericht der deutschen Studie (s. unten)
Projektziele
Um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Schulen und Schulleitungen in Deutschland zu untersuchen, wurde im Februar 2021 die zweite Studie des Covid-HL Networks umgesetzt. Die Zielgruppe dieser waren Schulleitungen und Mitglieder des Schulleitungsteams (z. B. stellvertretende Schulleitungen) allgemeinbildender Schulen der Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Forschungsfragestellungen des COVID-HL Schulsurvey lassen sich wie folgt formulieren:
- Wie hoch ist die arbeitsbedingte Stressbelastung für Schulleitungen in Zeiten der aktuellen Corona-Pandemie?
- Wie gehen Schulleitungen mit den aktuellen Arbeitsbelastungen um? In welchem Ausmaß werden maladaptive Arbeitsbewältigungsstrategien angewendet?
- Wie lässt sich die psychische Gesundheit von Schulleitungen beschreiben?
- Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der Bewertung der aktuellen Arbeitssituation und der psychischen Gesundheit von Schulleitungen?
- Wie hoch ist das arbeitsbedingte Kohärenzgefühl bei Schulleitungen in Zeiten von COVID-19 ausgeprägt?
- Wie hoch ist die coronaspezifische Gesundheitskompetenz bei Schulleitungen ausgeprägt?
- Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen dem arbeitsbedingten Kohärenzgefühl und der coronaspezifischen Gesundheitskompetenz einerseits sowie der gesundheitlichen Situation von Schulleitungen andererseits feststellen?
- Welche Maßnahmen der schulischen Gesundheitsförderung werden in Zeiten von COVID-19 an Schulen umgesetzt?
Schulen und Schulleitungen während der Covid-19-Pandemie
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Das Schulsystem ist von der Corona-Pandemie auf besondere und tiefgreifende Weise betroffen. Neben Schulschließungen sind u. a. der Wechsel auf digitale Lehr- und Lernformen, die Einhaltung von Hygieneregeln oder auch das Personalmanagement als zentrale Herausforderungen zu nennen.
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Während sich verfügbare Forschungsbefunde vor allem auf die Zielgruppen der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte fokussieren, werden Schulleitungen im Kontext der Corona-Pandemie sowie auch allgemein in der Gesundheitsforschung vernachlässigt.
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Wenige verfügbare Studien deuten für Schulleitungen auf hohe Belastungen infolge der Corona-Pandemie hin, die sich u. a. in einem deutlichen zeitlichen Arbeitsmehraufwand äußern.
Die Durchführung der Studie erfolgte in Kooperation mit den Schulleitungsverbänden der jeweiligen Bundesländer. Neben dem Allgemeinen Schulleitungsverband Deutschland e.V. (ASD) sind dies die Vereinigung von Schulleiterinnen und Schulleitern in Baden-Württemberg (VSL BW), der Interessenverband Hessischer Schulleitungen (IHS), der Schulleitungsverband Niedersachsen (SLVN) und die Schulleitungsvereinigung NRW (SLV NRW).
Die Studie wurde in Form einer Online-Befragung vom 09. März bis 13. April 2021, also im Zeitraum der dritten Infektionswelle in Deutschland durchgeführt (Abb. 1). Hierfür wurden alle Schulleitungen über die E-Mailverteiler der jeweiligen Schulleitungsverbände angeschrieben und zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Zur Erhöhung der Rücklaufquote wurde nach etwa 10 Tagen eine Erinnerung versendet. Für die Durchführung der Studie wurde das Votum der Ethikkommission der Universität Bielefeld eingeholt (EUB 2021-030).
Der eingesetzte Fragebogen bestand größtenteils aus wissenschaftlich erprobten Instrumenten, die für den vorliegenden Studienkontext (Coronavirus) teilweise sprachlich angepasst wurden. Zur Erfassung der arbeitsbezogenen Stressbelastungen wurde eine adaptierte Version der so genannten „Perceived Stress Scale“ eingesetzt und sprachlich an den Studienkontext angepasst. Das Instrument umfasst 10 Fragen, die auf einer fünfstufigen Skala („nie“ bis „sehr oft“) beantwortet werden konnten. Um einen Einblick in die Ausprägung gesundheitsgefährdender Arbeitsbewältigungsstrategien zu erhalten, wurde auf drei Teilaspekte des selbstgefährdenden Verhaltens zurückgegriffen (Ausdehnung der Arbeit, Intensivierung der Arbeit und Qualitätsreduktion). Jeder Teilbereich umfasste verschiedene Fragen, die hinsichtlich ihrer Häufigkeit auf einer fünfstufigen Skala zu beantworten waren („nie/sehr selten“ bis „sehr oft“). Zur Einschätzung der gesundheitlichen Situation wurde bei den Befragten die emotionale Erschöpfung als Kerndimension des Burnout-Phänomens mittels drei Fragen sowie die Häufigkeit von fünf psychosomatischen Beschwerden (z. B. Magen- oder Darmschmerzen) erfasst. Deren Beantwortung erfolgte entlang eines fünfstufigen Antwortformats („nie“ bis „immer“).
Ausgewählte Ergebnisse
Peer-reviewed
Ergebnisse der deutschen Studie in der Sonderausgabe schulische Gesundheitsförderung im Bundesgesundheitsblatt (im Entstehen)
Weitere internationale Paper werden in Kürze hier erscheinen
Ergebnisse aus Vorstudien
Health literacy and mental health of school principals. Results from a German cross-sectional survey
The Role of School Leaders’ Health Literacy for the Implementation of Health Promoting Schools
Berichte
Dokumentation
KonsortSWD Datenbank zur Forschung zur Corona-Pandemie: COVID-19 Health Literacy Schulleitungsstudie (COVID-HL: Schulleitung)
Presse
Schulleitungen stark belastet durch Corona-Pandemie (Nr. 80/2021)
Schulleitungen stark belastet durch Corona