HLS-Covid-19
Die HLS-COVID-19-Studie ist eine online-repräsentative und internationale Trendstudie zur coronaspezifischen Gesundheitskompetenz, die zu fünf Messzeitpunkten in den Jahren 2020 und 2021 durchgeführt wurde (weitere Wellen sind für das Jahr 2022 geplant). Hierbei handelt es sich um die erste Langzeitstudie in der Gesundheitskompetenzforschung. In den ersten drei Wellen wurde der Survey in Deutschland, Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz durchgeführt. Themen der Online-Befragung waren neben der coronaspezifischen Gesundheitskompetenz auch Informations- und Präventionsverhalten, Impfeinstellungen, -annahmen und -bereitschaft, Wissen über COVID-19 sowie Sorgen, Ängste und die eigene Risikoeinschätzung und Zukunftsaussichten.
HLS-Covid-19 wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Projektkoordination ist an der Professur für Health Literacy der TUM angesiedelt, die mit dem Interdisziplinären Zentrum für Health Literacy Forschung (IZGK) der Universität Bielefeld, der Hertie School Berlin, Gesundheit Österreich GmBH und der Careum Stiftung Schweiz kooperiert. Zum Studienteam gehören Prof. Dr. Orkan Okan, Torsten Michael Bollweg (IZGK), Prof. Dr. Doris Schaeffer (IZGK), Prof. Dr. Ullrich Bauer (IZGK), Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School), Dr. Saskia De Gani (Careum) and Dr. Robert Griebler (GOEG).
In allen drei Ländern wurde die Stichprobe als nach Quoten geschichtete Zufallsauswahl aus den Mitgliedern eines Online-Panels gezogen. Die Online-Panels, die die Basis der Stichprobenziehung im HLS-Covid-19 Survey waren, umfassen in Deutschland 160.000 aktive Panelisten, in Österreich 14.000 und in der Schweiz 20.000 aktive Panelisten.
Stichproben und Befragungszeiträume der fünf HLS-Covid-19 Wellen:
Welle | Land | Befragungszeitraum | Stichprobe | Alter |
---|---|---|---|---|
Welle 1 | Deutschland | 31.03.-07.04.2020 | N=1037 | ab 16 Jahren |
Österreich | 20.03.-27.03.2020 | N=1300 | ab 18 Jahren | |
Schweiz | 05/2020 | N=1500 | ab 18 Jahren | |
Welle 2 | Deutschland | 22.09.-05.10.2020 | N=1021 | ab 16 Jahren |
Österreich | 22.09.-13.10.2020 | N=1185 | ab 18 Jahren | |
Schweiz | 22.09.-07.10.2020 | N=1021 | ab 18 Jahren | |
Welle 3 | Deutschland | 24.11.-04.12.2020 | N=1036 | ab 16 Jahren |
Österreich | 24.11.-07.12.2020 | N=1020 | ab 18 Jahren | |
Schweiz | 24.11.-09.12.2020 | N=1018 | ab 18 Jahren | |
Welle 4 | Deutschland | 21.06.-25.06.2021 | N=1034 | ab 16 Jahren |
Welle 5 | Deutschland | 06.12.-13.12.2021 | N=1033 | ab 16 Jahren |
Tabelle 1: Studienzeiträume und Stichproben
Bislang wurden die Ergebnisse für die Wellen 1 und 2 für Deutschland, Österreich und die Schweiz veröffentlicht (s. unten). Die Wellen 3 bis 5 werden derzeit bearbeitet und im Jahr 2022 sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch veröffentlicht werden. Abbildung 1 zeigt das Informationssuchverhalten zum Thema Coronavirus und Covid-19 der Bevölkerung in Deutschland für das Jahr 2020. Hierbei ist zu sehen, dass die Spitzen der Suchen im März/April, Oktober/November und im Dezember liegen und mit den Befragungszeiträumen der ersten drei Wellen in Deutschland korrelieren. Es wird deutlich, dass sich die Menschen in Deutschland vermehrt über das Coronavirus und Covid-19 im Internet informiert haben, weswegen die Kompetenzen im Umgang mit gesundheitsrelevanten Informationen - also die Gesundheitskompetenz - hochgradig relevant sind.
Für die Entwicklung des HLS-Covid-19-Studienfragebogens wurden die deutsche Version des HLS-EU-Q47 Fragebogens sowie dessen Kurzform HLS-EU-Q16 herangezogen. Das Studienteam hat darauf basierend den HLS-Covid-Q22 entwickelt und validiert. Dafür wurden insbesondere die Fragen zum Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Informationen an die Fragestellung der Studie mit Schwerpunkt auf dem Coronavirus und COVID-19 bzw. diese Themen betreffende Informationen angepasst.
Ergebnisse im Kurzüberblick
Der Anteil der Personen mit einer geringen coronaspezifischen Gesundheitskompetenz ist gegenüber der ersten Erhebung von 50,4 auf 34,8% gefallen und in der dritten Welle wieder angestiegen auf 38,2%, wobei niedrige coronaspezifische Gesundheitskompetenz einem sozialen Gradienten folgt (Abb. 2). Die schwierigsten Herausforderungen stellen das Beurteilen von Medieninformationen zum Thema Covid-19 sowie die Überführung in Verhalten und Handeln dar. Erste Analysen der Wellen 4 und 5 für Deutschland bestätigen insgesamt diese Trends.
Verglichen mit Studienergebnissen zur allgemeinen Gesundheitskompetenz in Deutschland fallen die Ergebnisse der HLS-Covid-19-Studie deutlich positiver aus, auch wenn ein immer noch sehr hoher Anteil der Bevölkerung Schwierigkeiten im Umgang mit gesundheitlicher Information zum Thema Coronavirus und Covid-19 hat. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Präventionsbotschaften wie z. B. die AHA-Regeln leicht verständlich und einfach praktikabel sind - insbesondere verglichen mit sonst hoch komplexer Information zu Krankheit, Selbstmanagement und Medikation oder Ernährung. Gleichzeitig wird seit Beginn der Pandemie auf vielen Informationskanälen kontinuierlich und umfangreich über Covid-19 informiert. Eine solche dauerhafte Informationskampagne zu einem spezifischen Gesundheitsrisiko hat es zuvor noch nie gegeben. Die vorliegenden Ergebnisse legen nahe, dass die kontinuierliche Bereitstellung von Gesundheitsinformationen positiv auf die Gesundheitskompetenz wirken kann.
Personen mit geringer coronaspezifischer Gesundheitskompetenz:
- fühlen sich signifikant weniger über die Corona-Pandemie informiert.
- haben insgesamt ein geringeres Vertrauen in alle Informationsquellen.
- sind signifikant häufiger durch die vielen Informationen zum Coronavirus verunsichert.
- informieren sich seit Beginn der Pandemie nicht in demselben Maße häufig über Gesundheitsthemen wie Menschen mit einer hohen Gesundheitskompetenz (46,6% mit hoher vs. 41,0% mit niedriger Gesundheitskompetenz).
- wenden signifikant seltener präventive Verhaltensweisen an, wie z. B. Abstandhalten, häufigeres Händewaschen und Tragen einer Alltagsmaske.
- bezweifeln deutlicher und häufiger die Wirksamkeit der AHA-Regeln (Abstandhalten, Hygiene/Händewaschen, Alltagsmaske) für den Infektionsschutz.
- haben eine negativere Einstellung zum Impfen und eine geringere Bereitschaft, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.
- haben weniger Sorgen und Ängste, dass sie oder ein Familienmitglied sich mit dem Coronavirus ansteckt.
- denken häufiger, dass die Gefahren, die vom Coronavirus ausgehen, übertrieben sind.
- denken häufiger, dass mit Blick auf die Corona-Pandemie das Schlimmste schon vorüber sei.
Informationsverhalten
- Insgesamt fühlen sich die Menschen gut über das Coronavirus informiert, jedoch hat der Anteil der sehr schlecht Informierten signifikant gegenüber der ersten Erhebung zugenommen, während der Anteil der gut Informierten rückläufig ist.
- Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, sich durch die vielen Informationen zum Thema Coronavirus verunsichert zu fühlen: 42,5% fühlen sich „etwas verunsichert“, 8,9% sogar „sehr verunsichert“.
- Das Informationsverhalten hat sich seit dem Beginn der Corona-Pandemie stark gewandelt: Mit 45,2% gibt fast die Hälfte der Befragten an, sich im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Pandemie häufiger über Gesundheitsthemen zu informieren. Allerdings informieren sich 13% nun weniger als vorher.
- Das Fernsehen wird als die meistgenutzte Quelle für Informationen zum Coronavirus benannt.
- Unter den Informationsquellen genießen allerdings Ärzt:innen sowie Expert:innen aus Gesundheitsberufen, örtliche Gesundheitsbehörden sowie offizielle Internetinformationsseiten zu Gesundheitsthemen (z. B. vom BMG, RKI, BZgA) das höchste Vertrauen.
Präventionsverhalten
- Einzelne Verhaltensmaßnahmen wie das Tragen einer Schutzmaske (90%), häufigeres Händewaschen (83%) und Abstandhalten (82%) werden zwar praktiziert, häufig aber nicht in Kombination, wie die AHA-Regeln vorsehen.
- Mehr als ein Viertel der Befragten gibt an, nicht alle AHA-Regeln umzusetzen.
- Frauen (78,4%) setzen die AHA-Regeln häufiger um als Männer (67,4%).
- Nur 59% der 16- bis 29-Jährigen befolgen alle AHA-Regeln.
Impfbezogene Einstellungen, Impfannahmen und Corona-bezogenes Wissen
- Im Hinblick auf eine mögliche Coronavirus-Schutzimpfung geben 54% der Befragten an, sich impfen lassen zu wollen. Weitere 22,3% würden sich „vielleicht“ impfen lassen, wenn ein Impfstoff eingeführt wird. Ein Viertel der Bevölkerung will sich zum Befragungszeitraum nicht gegen das Coronavirus impfen lassen.
- Der Anteil derjenigen, die Impfungen kritisch gegenüberstehen, ist nicht zu vernachlässigen: 10,7% denken, dass Impfungen unsicher sind und 7,8% glauben nicht, dass Impfungen wirksam sind. Weitere 8,2% halten Impfungen nicht für wichtig, um sich selbst und die eigenen Kinder zu schützen und für 12,5% sind Impfungen nicht mit den eigenen Einstellungen oder religiösen Überzeugungen vereinbar.
- Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss und ältere Menschen haben häufiger negative Einstellungen gegenüber Impfungen.
- Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung glaubt allerdings, dass Impfungen sicher (89,3%) und wirksam sind (92,2%), um sich und die eigenen Kinder zu schützen (91,8%).
- Jüngere Menschen geben signifikant häufiger an, dass Impfungen schädlich auf das Immunsystem wirken. Zudem denken sie zum Erhebungszeitpunkt häufiger, dass es bereits eine Impfung gegen das Coronavirus und ein Medikament für die Behandlung von COVID-19 gibt.
- Auch Menschen mit einer niedrigen Bildung befürchten häufiger, dass Impfungen schwere Nebenwirkungen haben und schädlich auf das Immunsystem wirken.
Im Zusammenhang mit dem Impfen zeigt sich, dass die impfbezogene Gesundheitskompetenz der Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwar hinreichend ausgeprägt zu sein scheint, aber dennoch fast ein Drittel der Erwachsenen eine nur geringe impfbezogene Gesundheitskompetenz haben (s. Abb. 3).
Sorgen, Ängste, Gefahreneinschätzung und Zukunftsaussichten
- 90% der Befragten zeigen sich besorgt über die Corona-Krise, 71,5% haben Angst vor einer Ansteckung, 66,1% der Befragten nehmen die Gefahren sehr ernst und 93,7% glauben, dass sich auf absehbare Zeit nicht viel ändern wird oder es noch schlimmer werden könnte.
- Insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen sorgen und ängstigen sich vermehrt.
Das Coronavirus leugnen
- Fast ein Zehntel der Befragten (8,1%) glaubt nicht an die Existenz des Coronavirus und stimmt der Aussage zu: „Es gibt das Coronavirus gar nicht“.
- Menschen mit einem geringen Bildungsabschluss, aus den neuen Bundesländern, jüngere Menschen und Eltern von minderjährigen Kindern gehören zur Gruppe derjenigen, die signifikant häufiger die Existenz des Coronavirus verneinen.
Ausgewählte Ergebnisse
Peer-reviewed
Gesundheitskompetenz der Bevölkerung im Umgang mit der Coronavirus-Pandemie
Berichte
Gesundheitskompetenz der Bevölkerung im Umgang mit der Coronavirus-Pandemie
Dokumentation
KonsortSWD Datenbank zur Forschung zur Corona-Pandemie: HLS-COVID-19: Corona-bezogene Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung
Presse
Gutes Corona-Wissen in der Bevölkerung
Gesundheitskompetenz der Bevölkerung im Umgang mit der Coronavirus-Pandemie
Ergebnisse der zweiten Erhebung der HLS-COVID-19 Studie
Viele junge Menschen tun sich schwer mit Einhaltung von Schutzregeln