Am Sonntag, den 4. Februar, war Weltkrebstag. Rund 450.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an einer Krebsart. Viele dieser Fälle wären durch Prävention vermeidbar. Stefanie J. Klug ist an der Technischen Universität München (TUM) Professorin für Epidemiologie und forscht seit Jahren zum Themenfeld "Krebs". Im Interview gibt sie Empfehlungen und erläutert, wie aus ihrer Sicht der Krebs am besten eingedämmt werden könnte.
Frau Prof. Klug, wie bewerten Sie die Verbreitung von Krebs in Deutschland?
"Es gibt Krebsarten, da haben wir bereits in Vorbeugung und Therapie große Erfolge erzielt, bei anderen bestehen noch Potenziale. Die größte Bedeutung kommt der Prävention zu. 30 bis 50 Prozent aller Krebserkrankungen könnten bereits vor ihrer Entstehung verhindert werden."
Das ist eine enorme Zahl!
"Allerdings. Die drei Hauptrisikofaktoren sind: schlechte Ernährung, das Rauchen und zu wenig Bewegung. Wenn diese beachtet werden, ist schon viel gewonnen."
Was bedeutet das konkret?
"Mit Blick auf das Rauchen ist die Datenlage sehr eindeutig: Rauchen kann unter anderem zu Krebserkrankungen führen. Glücklicherweise rauchen Männer in Deutschland inzwischen weniger - und entsprechend gehen auch die Lungenkrebsfälle zurück. Bei Frauen gilt leider das Gegenteil."
Die zweite Säule der Vorsorge ist die Bewegung?
"Ja. Das Problem ist, dass sich viele Menschen zu wenig bewegen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 150 Minuten pro Woche. Inzwischen bestehen Hinweise, dass dies zu wenig sein könnte. Wichtig ist, die Zeit des Sitzens und Passivseins zu verringern. Zum Beispiel indem man auf den Aufzug oder die Rolltreppe verzichtet und stattdessen die Stufen nimmt."
Welche Tipps können Sie bezüglich der Ernährung geben?
"Auch hier sollten die WHO-Empfehlungen eingehalten werden. Ganz wichtig ist, viel Gemüse, Obst und Vollkorn zu essen. Dazu sollte wenig rotes Fleisch und dafür mehr Fisch verzehrt werden. Zudem sind Gerichte mit einem hohen Salzanteil - wie ihn beispielsweise Fertiggerichte haben - ebenso schädlich, wie Nahrungsmittel mit hohem Zucker- und Kalorienanteil wie Softdrinks."
Welche weiteren Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht von Bedeutung?
"Die Überlebenswahrscheinlichkeit hängt bei den meisten Tumoren mit dem Stadium zusammen, in dem sie diagnostiziert werden. Hier gilt: je früher desto besser. Deshalb sind Screenings zur Krebsfrüherkennung enorm wichtig."
Diese sind in Deutschland ausbaufähig?
"Ich denke von zentraler Bedeutung sind organisierte Programme. Das bedeutet, dass alle Einwohner in den jeweils sinnvollen Altersgruppen angeschrieben und zu Vorsorge-Untersuchungen eingeladen werden. Die Untersuchung bezahlen dann die Krankenkassen. Wir konnten in einer Studie nachweisen, dass die persönlichen Einladungen wichtig sind, um die gesamte Gesellschaft, gerade ältere und sozial schwächere Mitbürger, zu erreichen.
Aktuell ist noch sehr vieles von der Initiative des Einzelnen bzw. des behandelnden Arztes abhängig. Bisher wirklich organisiert ist nur das Mammographie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs."
Wie beurteilen Sie insgesamt die Maßnahmen in Deutschland?
"Wir haben in Deutschland den nationalen Krebsplan, wir haben seit 2013 das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG), es besteht ein organisiertes Screening zur Früherkennung von Brustkrebs. In naher Zukunft werden ergänzend organisierte Screeningprogramme für Gebärmutterhals- und Darmkrebs eingeführt. Ich denke, wir sind bei der Krebsfrüherkennung insgesamt auf einem guten Weg. Bei der Prävention von Krebs gibt es allerdings noch ein sehr großes Potenzial!"
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Kontakt:
Prof. Dr. Stefanie J. Klug
Lehrstuhl für Epidemiologie
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24950
E-Mail: Stefanie.Klug(at)tum.de
Interview: Fabian Kautz