Erhöhter Blutdruck ist eine weit verbreitete Erkrankung, die zu Schlaganfall, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen führen kann. Weltweit sind jährlich etwa 9,4 Millionen Todesfälle auf Bluthochdruck zurückzuführen. Damit ist Hypertonie einer der wichtigsten veränderbaren Risikofaktoren für Mortalität.
Die Belastung durch Bluthochdruck ist in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) unverhältnismäßig hoch: Zwei Drittel der Menschen mit Bluthochdruck leben in LMICs, Prognosen zufolge soll diese Zahl bis zum Jahr 2050 noch erheblich steigen. Insbesondere in Ländern mit mittlerem Einkommen (MIC) wird die Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich stark altern, so dass die Zahl der Menschen, die wegen Bluthochdruck behandelt werden müssen, wahrscheinlich deutlich mehr wird.
Aus diesem Grund hat die Professur für Behavioral Science for Disease Prevention and Health Care von Prof. Dr. Nikkil Sudharsanan eine Längsschnittstudie durchgeführt, um zu untersuchen, wie erfolgreich die Langzeitbehandlung von Bluthochdruck in mehreren MICs ist. Dafür wurden vier Länder (China, Indonesien, Mexiko und Südafrika) ausgewählt, die drei Kontinente repräsentieren und etwa ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Die Prävalenz des Bluthochdrucks liegt in diesen Ländern zwischen 19 und 24 Prozent.
Die Ergebnisse der Studie wurden unter dem Titel "Longitudinal evidence on treatment discontinuation, adherence, and loss of hypertension control in four middle-income countries" in der Zeitschrift "Science Translational Medicine" veröffentlicht. Diese Fachzeitschrift hat einen Impact Faktor von 17,956.
Für jedes Land analysierte das Team, wie insgesamt 8.527 Personen im Alter von 40 Jahren oder älter mit Bluthochdruck über einen Zeitraum von fünf bis neun Jahren die Behandlungsstufen durchliefen. Dabei wurde nicht nur untersucht, wie die Personen die einzelnen Behandlungsstufen durchliefen, sondern auch, ob sich Menschen mit Hypertonie "zurückentwickelten", indem sie die Kontrolle über ihren Blutdruck verloren oder die Behandlung ganz abbrachen.
Das Forschungsteam um Prof. Sudharsanan konnte feststellen, dass nur 30 Prozent der Patient_innen, bei denen zuvor keine Diagnose gestellt worden war, im Laufe der fünf- bis neunjährigen Untersuchungszeit doch eine Diagnose erhielten. In Südafrika lag der Wert sogar bei 36 Prozent. Darüber hinaus wurde nur eine von vier Personen, die sich bislang nicht in Behandlung befunden hatte, anschließend auch behandelt. Auch hier lag Südafrika mit 33 Prozent über dem Durchschnitt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie war, dass ein erheblicher Anteil der Teilnehmer die Bluthochdruckbehandlung vollständig abbrach – in Indonesien waren es sogar 70 Prozent aller Personen, die die Studie mit einer Behandlung begannen, während die Zahlen in China (36 %), Mexiko (34 %) und Südafrika (20 %) niedriger waren. Nicht zuletzt hatten fast alle Patienten ihren Blutdruck bis zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung nicht mehr unter Kontrolle. Mit 92 Prozent war der Wert in Indonesien am höchsten, gefolgt von Mexiko mit 77 Prozent, China mit 76 Prozent und Südafrika mit 45 Prozent.
Außerdem stellten das Forschungsteam fest, dass sich Frauen in zwei der vier Länder deutlich häufiger und konsequenter in Behandlung begaben als Männer. Dies steht im Einklang mit früheren Studien, die im Allgemeinen feststellen, dass Frauen ihren Bluthochdruck besser unter Kontrolle haben als Männer.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass Maßnahmen, die allein auf die Verbesserung der Diagnose oder die Einleitung einer Behandlung abzielen, in Ländern mit mittlerem Einkommen möglicherweise nicht zu einer langfristigen Verbesserung der Bluthochdruckkontrolle führen.
"Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass sich die Bewertung der Behandlung von Hypertonie nicht auf eine Momentaufnahme stützen kann. Bluthochdruck muss über die gesamte Lebensspanne hinweg kontrolliert werden, und wir müssen diese langfristige Perspektive berücksichtigen, wenn wir entscheiden, wo wir eingreifen müssen, um die Kontrolle über den Bluthochdruck zu verbessern", erklärt Prof. Sudharsanan. "Insbesondere haben wir festgestellt, dass viele Menschen in den untersuchten Ländern die Behandlung innerhalb von nur fünf bis sieben Jahren abbrachen. Diese Ergebnisse sind an sich schon bemerkenswert, weshalb wir empfohlen haben, den Schwerpunkt von der reinen Diagnose und dem Beginn der Behandlung auf die langfristige Einhaltung der Therapie und Kontrolle des Blutdrucks zu verlagern."
Zum Aufsatz "Longitudinal evidence on treatment discontinuation, adherence, and loss of hypertension control in four middle-income countries" im Journal "Science Translational Medicine"
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Kontakt:
Prof. Dr. Nikkil Sudharsanan
Rudolf Mößbauer Professur für Behavioral Science for Disease Prevention and Health Care
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
Tel.: 089 289 24990
E-Mail: nikkil.sudharsanan(at)tum.de
Text: Romy Schwaiger
Fotos: “Science Translational Medicine”/privat