"Vertrauen ist die Grundlage für Kommunikation", sagt Matthias Sammer, der am 16. Januar auf Einladung von Prof. Dr. Michael Schaffrath, dem Leiter des Arbeitsbereichs für Medien und Kommunikation, Gast in der Vorlesung "Einführung in die Kommunikationswissenschaft" war. Vor mehr als 300 Studierenden stellte sich der 74-fache Nationalspieler und Europameister von 1996 zunächst den Fragen von Prof. Schaffrath zu den Themengebieten "Interne und Externe Kommunikation" sowie "Veränderungen der Sportmedienlandschaft und deren Einfluss auf den Profifußball". Anschließend diskutierte der Sportvorstand des FC Bayern München mit den Studierenden und begeisterte dabei mit seiner authentischen Art und der Offenheit seiner Antworten auf jede Frage.
Moderator und Kommunikator
Beim FC Bayern pflegt Sammer nach Selbsteinschätzung einen "offenen, unkomplizierten und nicht formalisierten Kommunikationsstil". Vertrauen und ein fairer Umgang miteinander seien besonders wichtig, meint der gebürtige Dresdener. Beim deutschen Rekordmeister sei er immer mal wieder als Moderator gefordert, um die Harmonie in der Mannschaft zu wahren. "Jeder Spieler muss sich dem Teamgeist unterordnen, darf dabei aber auch seine Persönlichkeit entfalten", sagt Sammer. Sehe er, dass Spieler unzufrieden seien, suche er das persönliche Gespräch. Zu seinen Aufgaben zählt Sammer, der mit Borussia Dortmund selbst 2002 als Trainer Deutscher Meister wurde, den Coach und seinen Stab zu unterstützen. Dem aktuellen Bayern-Trainer Pep Guardiola sprach er vor den Studierenden ein großes Kompliment aus: "Glauben Sie mir, der Mann ist richtig gut!"
Antizyklische Kritik
Ein weiteres Element seiner Arbeit sei es, "den Finger in die Wunde zu legen", und zwar immer dann, wenn "ich das für nötig halte". Dafür hat der gebürtige Dresdner zwei Prinzipien. "Ich kritisiere immer antizyklisch, d.h. wenn wir verlieren, haben wir hier durch die Medien ohnehin genug Theater. Dann stelle ich eher die positiven Dinge in den Vordergrund, um eine stabile Mitte zu erzeugen", erklärt Sammer. Kritik über die Medien, die von ihm als "Weckruf" an die Mannschaft gedacht ist, bringt Europas Fußballer des Jahres 1996 lieber nach Siegen in die Öffentlichkeit, wie etwa nach dem 2:0-Heimsieg in der Hinrunde gegen Hannover 96. "Dann ist die Aufmerksamkeit größer und der Effekt besser."
In der Öffentlichkeit kritisiert Sammer nur pauschal, und vermeidet dabei ganz bewusst, einzelne Personen in den Fokus zu stellen. "Kritik muss immer konstruktiv sein. Es geht in erster Linie um die Sache, nicht um die Person", erklärt er. Große Leistungen seien nicht ohne konstruktive Kritik und ein hohes Maß an Ehrlichkeit erreichbar.
Berichterstattung: zu wenige inhaltliche Aspekte thematisiert
Beim Blick auf die Entwicklung der Sportmedien-Landschaft stört Sammer, dass heutzutage zu wenige inhaltliche Aspekte thematisiert und zu selten Hintergründe beleuchtet würden. "Warum bin ich erfolgreich, oder warum auch gerade nicht? Was sind die Gründe für Top-Leistungen oder auch Formtiefs?" Solche Fragen vernachlässigten die Journalisten seiner Meinung nach zu oft. Stattdessen gelte im Sportjournalismus "Bad news are good news". Trotzdem hat Sammer auch Verständnis für die Situation der Berichterstatter_innen: "Wir hatten gerade im Trainingslager in Doha 10-15 Kamerateams und etliche Kollegen von der Presse. Nun gab es aber keine Toten, keine Verletzten, keine Schießereien, nicht einmal irgendwelche Streitereien. Und trotzdem mussten die Journalisten ja jeden Tag irgendeine Geschichte abliefern. Aber das ist halt schwierig, wenn alles nach Plan läuft und nichts Spektakuläres passiert", erklärt Sammer. Den Spielern empfehle er, "im Umgang mit den Medien nicht alles auf die Goldwaage" zu legen und sich "auch ein dickes Fell" zuzulegen. Gefährlich werde es, wenn Spieler sich mehr um ihr öffentliches Image statt um Leistung auf dem Platz kümmerten. "Denn was ist Image? Image ist nur ein Anschein!"
Eine differenzierte Meinung vertritt der Sportvorstand zum Thema Medienschulung von Nachwuchsprofis. "Auf der einen Seite wollen wir alles schulen und vorschreiben, auf der anderen aber auch eigenständige Persönlichkeiten haben, die aus Fehlern lernen. Für mich ist das ein Widerspruch", sagt Sammer. Wichtig sei aber, einige Grundregeln zu beachten, beispielsweise weder den Verein, noch den Trainer und auch nicht die Mitspieler öffentlich zu kritisieren.
Zur Homepage des Arbeitsbereichs für Medien und Kommunikation
Zur Homepage des FC Bayern München
Kontakt:
Prof. Dr. Michael Schaffrath
Arbeitsbereich für Medien und Kommunikation
Uptown München, Campus D
Georg-Brauchle Ring 60/62
80992 München
Telefon: 089 289 24639
E-Mail: Michael.Schaffrath(at)tum.de