Fünf Mal Gold bei den Paralympics! Anna Schaffelhuber hat bei den Paralympischen Spielen von Sotschi bei sämtlichen ihrer fünf Starts triumphiert. Damit wurde die Monoskifahrerin aus Bayern zu dem Gesicht der Spiele. Neben dem Riesenslalom und dem Super G siegte die 21-Jährige auch in der Superkombination, dem Slalom und bei der Abfahrt. Ihr besonderer Dank galt nach ihrer fünften Goldmedaille der TU München. Seit 2008 trainiert die querschnittgelähmte Athletin an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft. Hier haben der Sportwissenschaftler Dr. Peter Spitzenpfeil und sein Team ein neues Trainingskonzept entwickelt, das auf die körperlichen Voraussetzungen von Monoski-Athlet_innen zugeschnitten ist.
Anna Schaffelhuber tritt in der Disziplin Monoski sitzend, Klasse LW10/2 für Querschnittgelähmte mit wenig Rumpfmuskulatur an. Dabei sitzen die Skiläufer fest in einer Carbonschale, über fein abgestimmte Bewegungen der Brust- und Schultermuskulatur steuern sie den Monoski.
"Monoski-Athleten haben ähnliche Bewegungsabläufe wie nicht-behinderte Sportler, die auf zwei Ski den Hang hinunterschwingen", erklärt Dr. Peter Spitzenpfeil Leiter der Betriebseinheit für Angewandte Sportwissenschaft. "Bis vor wenigen Jahren trainierten körperbehinderte Athleten daher nach den gleichen Plänen wie Sportler ohne Behinderung."
In einer Studie mit den Athlet_innen des Nationalteams stellte Spitzenpfeils Team fest, dass sitzende Skifahrer deutlich weniger Ausdauer mitbringen müssen als stehende. "Bei Belastungstests auf der Piste lagen die Maximalwerte der Monoski-Läufer bei ungefähr 50 Prozent der Ski-Athleten auf zwei Brettern", sagt die Sportwissenschaftlerin Maren Goll.
Balancieren auf einem gekippten Stuhl
Die Wissenschaftler richteten das Training deswegen stärker auf Kraft und Koordination aus. "Anders als Sportler ohne Handicap carven Körperbehinderte ohne Bein- und mit eingeschränkter Rumpfmuskulatur", erläutert Goll. "Die Slalom-Schwünge fahren sie auf der Kante des Skis - das ist, als versuche man, auf einem seitlich gekippten Stuhl zu balancieren." Daher sollten Muskeleinsatz und Balance perfekt zusammenspielen.
Für ihre Untersuchungen beobachteten die Wissenschaftler_innen die Sportler während ihrer Fahrt: Mit GPS-Satellitentechnik zeichneten sie die Kurvenfahrt der Athleten auf, während sie gleichzeitig die Muskelaktivität maßen. Das Ergebnis: Ein genaues Profil über den Krafteinsatz bei bestimmten Bewegungen.
Auf dieser Grundlage entwickelten Spitzenpfeil und sein Team ein Kraft- und Koordinationstraining, das die besonderen Anforderungen von Monoski-Athleten wie Schaffelhuber berücksichtigt. Anstatt einzelne Muskelgruppen an Kraftmaschinen zu stärken, trainieren die Sportler gezielt die Bewegungsabläufe beim Skifahren.
Welche Rolle spielt der Stoßdämpfer?
Doch Grundausdauer, Kraft und Koordination sind nicht die einzigen Stellschrauben: Wie schnell die Athleten einen Lauf bewältigen, hängt auch vom Gerät ab. Die Sitzschale ist auf einem Stoßdämpfer befestigt. "Der Dämpfer gleicht Unebenheiten im Gelände aus und vermindert das Verletzungsrisiko", sagt Spitzenpfeil. "Ist er allerdings zu weich oder zu hart eingestellt, verlieren die Sportler Tempo auf der Strecke - oder riskieren einen Sturz.
"Das nächste Projekt ist daher schon in Arbeit: Das Team will herausfinden, wie Dämpfer und die Muskelkraft der Athlet_innen während des Laufs besser harmonieren. Spitzenpfeil: "Wir hoffen, dass wir unsere Trainingsmethoden noch genauer auf die Sportler abstimmen und sie optimal auf Höchstleistungen vorbereiten können."
Die bisherigen Forschungsarbeiten wurden vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISP) gefördert. Das BISP unterstützt auch das aktuelle Projekt "Optimierung und systematische Anpassung der Dämpfereinstellungen im paralympischen Monoskisport."
Zur Homepage der Betriebseinheit für Angewandte Sportwissenschaften
Die Paralympischen Winterspiele in Sotschi auf der Webseite des Deutschen Behindertensportverbandes DBS
Kontakt:
Dr. Peter Spitzenpfeil
Technische Universität München
Betriebseinheit für Angewandte Sportwissenschaft
Telefon: +49 89 289-24562
E-Mail: Peter.Spitzenpfeil(at)tum.de
Text: Barbara Wankerl/Fabian Kautz